Hamburg. Die Preise steigen, der Raum wird knapp: Womit kleine wie große Clubs in Hamburg zu kämpfen haben und was das für den Musiknachwuchs bedeutet.
Einmal im Jahr stehen die Musikclubs in Hamburg besonders stark im Rampenlicht. Denn immer im September ist das Reeperbahn-Festival. Ein viertägiges Musikspektakel, bei dem rund 50.000 Besucherinnen und Besucher durch die Clubs ziehen und die aktuellste Musik hören. Das Festival ist ein wichtiges Zeichen für die Sichtbarkeit der Clubs in schwierigen Zeiten. Denn sie haben auch drei Jahre nach Corona noch immer mit Herausforderungen zu kämpfen – speziell in Hamburg.
Hamburger Clubs – eine Krise jagt die nächste
Die Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine blieben nicht ohne Folgen. „Wir verzeichnen ein verändertes Ausgeh- und Konsumverhalten bei Events. Da ist häufig zu beobachten, dass jüngere Besucher ausbleiben“, sagt Thore Debor, Geschäftsführer des Clubkombinats e.V.. Die Folge: „Es fehlt eine ganze Generation.“
Die Gründe sind vielfältig: gerade junge Menschen mit schmalen Budgets leiden unter der Inflation. Parallel steigen die Preise von Veranstaltungen und Getränken. Auf der anderen Seite gibt es ein zahlungskräftigeres Publikum, das sich bevorzugt extrem hochpreisige Events von Megastars gönnt. All das hat Auswirkungen auf die Veranstaltungs- und Event-Branche.
Clubs: Weniger Besucher und trotzdem mehr Kosten
Gleichzeitig aber sind die Kosten für die Veranstalter und die Clubs immer weiter gestiegen. „Die wirtschaftliche Komponente sorgt dafür, dass Programmplanungen angepasst werden müssen. Das geschieht für viele unsichtbar schon im Booking-Prozess bei der Kuration“ sagt Thore Debor. „Risikogigs werden nicht mehr gebucht, stattdessen setzt man aufs wirtschaftlich Kalkulierbare. Nachwuchskunstschaffende und Veranstaltende, die am Anfang ihrer Karriere stehen, haben das Nachsehen.“ Viele Konzerte würden erst gar nicht angesetzt. „Das bedroht die kulturelle Vielfalt“, so Debor.
Auch Alexander Schulz, Chef des Reeperbahn-Festivals, sieht, dass der Nachwuchs-Aufbau nicht mehr so gut funktioniert. „Weil er eigentlich über die kleinen und mittelgroßen Spielorte passiert, die immer weiter wegbrechen.“ Youtube allein reiche einfach nicht, um ein Talent aufzubauen. Da sei die Musikwirtschaft aber auch gefragt, um gemeinsam mit den Clubs Lösungen zu erarbeiten und klarzustellen, dass die kleinen Musikstätten dafür sehr wichtig sind, so Schulz. Dann bewege sich auch die Politik schneller, beispielsweise bei guten Rahmenbedingungen für den Lärmschutz, ist Schulz überzeugt.
Platzproblem: Neue Räume finden, ist für Clubs eine Herausforderung
Die sind auch wichtig bei der Suche nach neuen Räumen. Dass das nicht leicht ist, zeigt die Situation der Clubs unterhalb der Sternbrücke, die bald abgerissen werden soll. 20 Jahre lang war die Sternbrücke an der Grenze von Altona-Altstadt und Sternschanze Heimat der Techno-Clubs Fundbureau und Waagenbau sowie dreier weiterer Clubs. Nun haben zumindest Fundbureau und Beatboutique in den vergangenen Wochen an den Deichtor-Kasematten eröffnen können. Die noch an der Sternbrücke verbliebene Bar 227 wird voraussichtlich demnächst folgen. Dort könnte eine interessante neue Club-Achse entstehen, denn der Südpol residiert bereits im benachbarten Hammerbrook.
Für den Waagenbau zeichnet sich möglicherweise bald eine Lösung ab. Die Astra Stube sieht sich weiterhin nach einem neuen Ort um, will aber gerne im Hamburger Westen bleiben. Auch der Techno-Club Pal ist derzeit ohne festes Haus. Das seit Jahren von Ortswechseln gebeutelte Molotow, einer der legendären Reeperbahn-Clubs Hamburgs, soll im kommenden Jahr in den Räumen des jetzigen Moondoo eine neue Heimat finden.
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Es bewegt sich also etwas bei den Räumlichkeiten. „Die Kulturbehörde setzt sich nach Kräften für die Belange der Clubs ein, sie sind aber auch der kleinste Posten im Etat. Die Handlungsbedarfe sind bekannt, aber es kann nicht alles auf einmal bewältigt werden“, sagt Thore Debor. „Wir stehen noch am Anfang einer kulturellen Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert. Die Rahmenbedingungen haben sich radikal geändert. Wir müssen bei der Hilfe von Behörden auch daran denken, dass gerade die Fragen der sozialen Gerechtigkeit berücksichtigt werden. Die Barrieren dürfen nicht weiter steigen – gerade für junge Menschen.“
Erst im April hatte Debor eine Diskussionsrunde zum Thema im Kultclub Molotow geleitet. Mit dabei: Bürgerschaftsabgeordnete von SPD, Grünen, CDU und Linken sowie ein Bezirkspolitiker der FDP. Der Tenor: viel guter Wille, wenig Konkretes. Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling warf den Vertretern der rot-grünen Regierung gar vor: „Es gibt offensichtlich null Dringlichkeitsbewusstsein“.
Am Ende fehlen den Clubs vor allem: Geld und Gleichbehandlung
Vor dem Hintergrund werden die Verhandlungen des Senats zum Doppelhaushalt 2025/26 entscheidend. Das Hafenklang an der Großen Elbstraße wurde zwar gerade mit einer großen Spendenaktion durch seine treue Community gerettet, doch auch hier drohen Raumprobleme.
Der Status Quo von einer Fördersumme von 350.000 Euro pro Jahr, für den sich rund 60 Clubs bewerben, wird nicht reichen, um das Hafenklang und andere auskömmlich zu bedienen. Wir brauchen einen deutlichen Ausbau bei der strukturellen Förderung und eine Gleichbehandlung der Kultursparten“, fordert Thore Debor. Erst 2021 wurde den Musikclubs und Livemusik-Spielstätten vom Bundestag ein kultureller Bezug zugesprochen, zuvor waren sie Wettbüros, Kasinos, Spielhallen, Sex-Kinos und Bordellen gleichgestellt.