Hamburg. Kunstprojekt zahlt für Trägerdienste 30 Euro die Stunde. Was es mit dem kuriosen Projekt auf sich hat und wie man mitmachen kann.

Weder ein Kurierdienst noch ein Paketservice noch die neuste Amazon-Lieferung: Ein Stapel Kartons macht derzeit in der ganzen Hamburger City die Runde und sorgt für skeptische Blicke und offene Fragen. Das Kunstprojekt „Boxing the City“ der noroomgallery zahlt Hamburgerinnen und Hamburgern 240 Euro am Tag, um sechs leere, weiße Kartons durch die Stadt zu tragen. Aber warum?

Einerseits soll durch das Projekt die Kunst im öffentlichen Raum gefördert werden. Die Trägerinnen und Träger haben freie Auswahl über ihre Routen und ihre Ziele. „Man macht eigentlich einen privaten Spaziergang zu besonderen Orten“, so Jan Holtmann, Leiter der noroomgallery. Die Trägerinnen und Träger sollen sich die Frage stellen: Was sind meine Kunstorte in der Stadt? Diese Frage beantwortet jeder anders, deshalb waren die Kartons beispielsweise bereits an der Jungfernstieg-Promenade, an den Landungsbrücken oder am Elbtower.

Hamburger City: Für 30 Euro die Stunde Kartons durch die Stadt tragen – das steckt dahinter

Vor allem aber sollen die Trägerinnen und Träger mit ihren Kisten kuriose Situationen erschaffen und wichtige Fragen aufwerfen. „Es kommt zu Begegnungen, Gesprächen und Fragen über Kunst und Leben, Sinn und Unsinn, künstlerische Ideen und ihre Medien, künstlerische Arbeit und ihre Honorierung“, heißt es von der noroomgallery.

Dieser Träger hat den unfertigen Elbtower als einen solchen Kunstort gewählt.
Dieser Träger hat den unfertigen Elbtower als einen solchen Kunstort gewählt. © Ali Haji | Ali Haji

„Wir hatten schon Menschen zwischen 17 und 72 Jahren aus allen Bereichen dabei“, sagt Holtmann. Mitgemacht hätten schon Architekten, Beamte, Kellner, Lehrerinnen, eine Drehbuchautorin, eine Touristenführerin, ein IT-Manager und viele weitere. „Am Anfang hatte ich das Gefühl, ich steche total heraus“, erzählt Trägerin Norhild Reinicke, eine Schauspielerin. „Wenn man durch die touristischen Ecken läuft, fühlt man sich ein bisschen wie eine weitere Hamburg-Attraktion.“

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Viele würden rätseln, was denn nun in den Paketen sei. Die Antwort: eben nichts. „Die Kartons und ihre Träger sind eine Mischung aus Projektionsfläche und Bühne“, erklärt Holtmann. Die Trägerinnen und Träger dokumentieren ihren Arbeitstag mit Fotos und sollen damit auch die Stadt kartieren. „Dass die Fotos nicht immer perfekt sind, gehört zum Konzept dazu, so wird ein eigenes Bild der Stadt kreiert“, findet Holtmann.

240 Euro am Tag für eine „zweckfreie“ Tätigkeit – ist das angemessen?

Die Frage nach der Vergütung stellt die noroomgallery ganz explizit in den Raum. Damit soll ein Diskurs über die Bezahlung von Kunstschaffenden gefördert und gefordert werden. Für acht Stunden bekommen die Trägerinnen und Träger 240 Euro gezahlt, der Betrag orientiert sich am Vorschlag des Verbandes der freien Theaterszene für Proben. Die Laufzeit des Kunstprojekts startete im Juli und ist auf 100 Tage bis in den Oktober angesetzt.

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Der Nachschub an Trägerinnen und Trägern generiert sich laut Holtmann von selbst: „Leere Kartons, die durch die Gegend getragen werden, bewerben leere Kartons, die durch die Gegend getragen werden.“ Trotzdem gebe es noch einige Schichten in den nächsten Wochen zu füllen. Angegliedert sind die Arbeitszeiten von 10 bis 18 Uhr an die Öffnungszeiten der Hamburger Museen. „Entsprechend darf die Schicht am Donnerstag also später in den Abend gehen“, so Holtmann. Und natürlich später begonnen werden. Wer die sechs Pappboxen tragen möchte, kann sich laufend über www.noroomgallery.com und per Mail bewerben.