Hamburg. Sandra Hüller, Igor Levit und andere: Künstlerinnen und Künstler positionieren sich gegen Sparpläne des Bundes, die Existenzen bedrohen.

Es formiert sich Protest gegen die Entscheidung, die Mittel für den Bereich der freien darstellenden Künste im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 massiv zu kürzen. In Berlin wurde jetzt eine Petition vorgestellt, deren Unterzeichnerinnen und Unterzeichner darauf dringen, diesen Entwurf zu korrigieren. Zu den Unterstützern gehören unter anderem Schauspielerin Sandra Hüller, Pianist Igor Levit, Komponist Helmut Lachenmann und Musiker Andreas Dorau.

Die Situation ist tatsächlich dramatisch, denn wer in der Freien Szene der darstellenden Künste arbeitet, lebt selten auf Rosen gebettet. Er braucht Beharrlichkeit, Idealismus, die Fähigkeit, prekäre Lebensverhältnisse durchzuhalten – und am besten ein Diplom im Schreiben von Förderanträgen. Zuletzt war das Fördervolumen der Projektmittel in Hamburg auf dem Stand von 2019. Nur 18 Prozent der beantragten Projekte wurden für 2024/25 bewilligt.

Hiobsbotschaft: Freie Szene in Hamburg von massiven Förderkürzungen bedroht

Mitten in die ohnehin prekäre Lage ereilte die Kunstschaffenden der Freien Szene in Deutschland – und eben auch in Hamburg – eine Hiobsbotschaft: Der Fonds Darstellende Künste halbiert im Entwurf der laufenden Haushaltsverhandlungen seinen Förderetat um die Hälfte, von 10,3 auf 5,6 Millionen Euro aus den Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Ein Schlag ins Kontor, zumal erst vor wenigen Wochen die Nachricht die Runde machte, dass die Förderung des Bündnisses internationaler Produktionshäuser, in dem bundesweit sieben zentrale Einrichtungen der Freien Szene – darunter auch Kampnagel – vertreten sind, ab dem kommenden Jahr ersatzlos gestrichen werden soll.

„Ein Kahlschlag des Staatsministeriums für Kultur gegenüber der Freien Szene“

Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard hat für beide Schritte kein Verständnis. „Das ist ein Kahlschlag des Staatsministeriums für Kultur gegenüber der Freien Szene. Sehr erfolgreiche, im Koalitionsvertrag als Innovationstreiber bezeichnete Projekte fallen da heraus.“ Im Detail betreffe es das Bündnis Internationaler Produktionshäuser, „Explore Dance – Netzwerk Tanz für junges Publikum“ und das Dance On Ensemble.

„Auch die Halbierung der Mittel des Fonds Darstellende Künste ist ein Schlag ins Gesicht einer innovativen, extrem strukturiert aufgebauten und politisch scheinbar abgesicherten Arbeit des Fonds. In der Pandemie hatte er bisher fehlende, innovative Förder-Tools aufgebaut. Mit dem Bund waren 10,3 Millionen Euro vereinbart. Und zwei Monate später werden auf einmal die Gelder halbiert.“ Aus ihrer Sicht sei das „komplett nicht nachvollziehbar“.

Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard kritisiert die Sparpläne scharf.
Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard kritisiert die Sparpläne scharf. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Das Netz der Produktionshäuser werde im kommenden Jahr zehntes Jubiläum feiern. Deuflhard will es auf jeden Fall gebührend würdigen. „Das ist extrem erfolgreich und ermöglicht uns nicht nur jährlich ein gemeinsames Festival in einer der Städte und diverse Akademien, sondern vor allem eine kontinuierliche, gesicherte Arbeit an den großen Transformationsthemen unserer Zeit und neuartige Formen der Zusammenarbeit, bei der die Häuser zwar gemeinsam an Themen arbeiten, diese aber individuell kuratieren.“ Sollte es bei den Kürzungen bleiben, fielen für Kampnagel rund 700.000 Euro pro Saison weg. Das würde deutlich weniger Produktionen bedeuten.

Auch das Festival „Explore Dance – Netzwerk für junges Publikum“ wäre betroffen

Für die Hamburger Kunstschaffenden ist die Halbierung der Förderung des Fonds Darstellende Künste problematisch, weil es sich bei Förderungen meist um addierende Gelder handelt, mit denen sich größere Projekte finanzieren lassen. So kann eine Konzeptionsförderung in Hamburg mit einer Konzeptionsförderung beim Fonds Darstellende Künste ergänzt werden.

Kerstin Evert vom Choreographischen Zentrum K3 – Tanzplan Deutschland bewertet die Lage so: „Damit reduziert sich der Zugang zu Fördermitteln für Produktionen. Auch die Anzahl der Produktionen und der arbeitenden Künstlerinnen. Es ist ein ziemliches Desaster, weil die Entscheidung des Bundes mit Blick auf das gesamte Land betrachtet auf eine Situation von Kürzungen der Kommunen und Länder trifft, die die Freie Szene eh schon beuteln.“

Für die K3 würde die Sparrunde das Festival „Explore Dance – Netzwerk für junges Publikum“ betreffen. „Nach der Tanzpakt-Förderung erhielten wir im laufenden Jahr 300.000 Euro Bundesmittel, mit denen wir weiterarbeiten können. Wir brauchen aber die Bundesförderung, um produzieren und die Aufführungen auch in die Fläche bringen zu können zu den Kindern und Jugendlichen“, sagt Evert.

Wenn der Engpass insgesamt größer werde, schwinden die Chancen, im Haushalt berücksichtigt zu werden. Dann müsste Evert die Aktivitäten im Netzwerk deutlich herunterfahren. Was besonders absurd ist, weil das Projekt gerade den Deutschen Tanzpreis gewonnen hat und zuvor schon den Theaterpreis „Der Faust“. „Die bundesweite Relevanz ist also weithin anerkannt.“

Freie Szene: Für Hamburg gibt es auch eine positive Nachricht

Jens Dietrich aus dem Vorstand des Dachverbandes freie darstellende Künste Hamburg e. V. kann zumindest für Hamburg auch eine positive Nachricht vermelden. „In der internen Planung des Senats soll die Projektförderung um rund eine Million Euro erhöht werden.“ Eine Summe, die die Kulturbehörde bestätigt. „Auch wenn das Gutachten 3,84 Millionen Mehrbedarf als dringend notwendig ausgemacht hat, wäre das eine signifikante Erhöhung des gesamten Etats der Projektförderung von zwei auf drei Millionen Euro“, sagt Dietrich. Wie sie sich die Summe auf die einzelnen Förderbereiche aufschlüsselt, ist noch offen. „Wir sind erst mal total happy, dass angesichts der Haushaltslage diese Situation zustande gekommen ist.“

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Die Kürzungsvorhaben im Bund sieht er sehr kritisch. „Gerade beim Koproduktionsfonds, wo Bundesmittel mit kommunalen Mitteln gematcht werden können, ist das natürlich problematisch, wenn Bundesmittel gekürzt werden. Die Kürzungen treffen auf eine zuletzt stark gewachsene Szene von Kunstschaffenden, die nun zum Teil die Stadt verlassen oder den Beruf wechseln müssen.“

Ab September starten erneut die Haushaltsverhandlungen. Im November folgt der Nachtragshaushalt, dann stehen finale Entscheidungen an. Bis dahin wird im Hintergrund aber auch öffentlich um jeden Cent gerungen. Im Internet gibt es eine Petition „An der freien Kunst zu sparen, kostet zu viel!“. Auch das Publikum kann sich daran beteiligen.