Hamburg. Kurze Wege für kurze Beine – das Kinderbuchhaus ist ins Erdgeschoss des Altonaer Museums gezogen, mit Arena, Werkstatt und Ausstellung.
„Ganz schön naiv“ findet sich Dagmar Gausmann im Nachhinein. Als die promovierte Kunsthistorikerin vor knapp 20 Jahren das Kinderbuchhaus ins Leben rief, war ihr die Verantwortung für solch ein Projekt gar nicht richtig bewusst. Geklappt hat es dann aber doch. Und wie: Die Institution, die Kinder und Jugendliche mit kunstvoll gestalteten Bilderbüchern zur Literatur bringen will, ist zum selbstverständlichen und unverzichtbaren Bestandteil des Altonaer Museums geworden. Bis vor Kurzem residierte es im zweiten Stockwerk. Nun wurden die neuen Räume im Erdgeschoss feierlich eingeweiht, nach dem Motto von Direktorin Anja Dauschek: „Kurze Wege für kurze Beine“.
Dagmar Gausmann sei, „wie so viele andere auch“, durch ihr eigenes Kind zum Thema gekommen: „Mein Sohn war eigentlich von Geburt an eine richtige Leseratte“, erzählt sie lachend. Sie habe viele Kinderbücher mit ihm zusammen gelesen und dabei häufig gedacht: „Was für tolle Illustrationen! Das ist eine Kunst für sich.“ Und sie stellte fest, dass viele der Künstlerinnen und Künstler nicht nur in Hamburg an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) ausgebildet werden, sondern anschließend auch hier leben und arbeiten. „Aber wo ist das Forum für diese Kunst, wo kann sie ausgestellt werden?“ So kam es zur Gründung des Kinderbuchhauses.
Kinderbuchhaus-Neueröffnung in Altona: Ein magischer Ort fürs Lesen in Hamburg
Mit viel Rückenwind von der Hamburger Kulturbehörde, damals unter der Leitung von Senatorin Karin von Welck, habe sie das Projekt realisiert. „Es war eine günstige Zeitströmung dafür: Die Leseförderung wurde zum großen Thema, man war sich bewusst, wie wichtig es ist, Kinder und Jugendliche möglichst früh an Bücher und somit an Bildung heranzuführen.“ Und so ist auch ihr Motto von damals bis heute gültig: „Das Lesenlernen beginnt mit dem Lesen der Bilder.“
Mit viel hellem Eichenholz wurde der neue Bereich im Altonaer Museum von der Hamburger Architektin Sibylle Kramer gestaltet. Auch für sie ist das Kinderbuchhaus „eine Herzensangelegenheit“. Im Sinne von Albert Einstein, Wissen sei begrenzt, die Fantasie dagegen nicht, hat sie mit ihrem Team offene, freundliche Räume geschaffen: eine Werkstatt mit einer langen Tafel, in der künftig Kita- und Schulklassen noch mehr Platz als zuvor zum kreativen Gestalten finden.
Die sogenannte Arena, bestehend aus mehreren Ebenen zum Entspannen und Schmökern, hätte man gerne in den heimischen vier Wänden, mit gemütlichen pastellfarbenen Sitzkissen, großen Sesseln, einer langen Regalwand und einer großen Leinwand samt Beamer zum Filmeschauen. So ist der Wunsch der Initiatorin, Programmdirektorin und Geschäftsführerin wahr geworden: einen magischen Ort der Ruhe und Konzentration für die Buchkunst zu schaffen.
Kinderbuchhaus in Altona: Ein wichtiger Ort, besonders für die von TikTok geprägte Generation
Wie unglaublich wichtig das gerade in diesen Zeiten ist, weiß auch Kultursenator Carsten Brosda, der bei der Eröffnung am Mittwoch dabei war. Für ihn ist das Kinderbuchhaus, das 2025 sein 20. Jubiläum feiern wird, ein „symbolischer Ort, der von gesellschaftlicher Bedeutung ist: zum Erlernen einer Kulturtechnik und der Erschließung eines ganz eigenen Kosmos, jenseits von schulischen Pflichtlektüren. Hier kann man lernen, wie groß die Kraft der Bilder ist, wie ein Bild überhaupt erst entsteht, wie man es lesen und interpretieren kann. Und dass man in dem Moment schlauer wird, indem man liest.“ Insbesondere für die durch TikTok, Snapchat und Instagram geprägte Generation von Kindern und Jugendlichen biete das Kinderbuchhaus eine weitere „Reflexionsebene“.
Über Buchinhalte zu reflektieren, dazu will Dagmar Gausmann alle Besucherinnen und Besucher auch mit der aktuellen Ausstellung einladen. Unter dem Titel „Zuhause. Ansichten eines phantastischen Ortes“ werden Illustrationen von Gestalterinnen und Gestaltern gezeigt, mit denen das Kinderbuchhaus seit langer Zeit zusammenarbeitet, darunter Peter Schössow („Rico und Oskar“-Reihe), Katrin Engelking („Pippi Langstrumpf feiert Geburtstag“) und Jonas Lauströer mit seinen wunderschönen Bildern zur Geschichte „Vom Fischer und seiner Frau“.
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Der Titel hat gleich mehrere Bedeutungsebenen: Zum einen geht es darum, sich Gedanken zu machen, was ein Zuhause eigentlich ist. Dass es nicht zwangsläufig „ein Ort wie Bullerbü“ ist, wie Dagmar Gausmann es nennt, sondern auch durch Krankheit, Krieg und Sucht gefährdet sein kann, wird in den ausgestellten Illustrationen sichtbar. Und schließlich sollen die Kreativen auch selbst im Altonaer Museum ein Zuhause finden. Das ist jetzt noch viel schöner als zuvor.
Kinderbuchhaus im Altonaer Museum (S Altona), Museumstraße 23, Mi–Fr 14.00–17.00, Sa/So 12.00–17.00, für Schulkassen wird montags nach Absprache geöffnet, Museumseintritt 8,-/5,- (erm.), Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei. Eröffnungswochenende mit vielen kreativen Angeboten 7./8.9., jew. 12.00–17.00, Eintritt frei; www.kinderbuchhaus.de