Hamburg. Es begann mit „Der dicke Dachdecker“: Der Hamburger Bodo Wartke macht die sozialen Medien mit seinen Zungenbrechern verrückt.
Er hat es in die „New York Times“ geschafft, einen Welthit geschrieben und Millionen Menschen animiert, zu einem deutschen Zungenbrecher zu tanzen. Dabei hatte der Hamburger Klavierkabarettist Bodo Wartke nur nach etwas Kurzem gesucht, mit dem er in den sozialen Medien erfolgreich sein kann. Er fand „Der dicke Dachdecker“ und, na klar, „Barbaras Rhabarberbar“. Einen Reim, der einmal um die Erde ging und dazu führte, dass Wartke allein auf der Plattform TikTok innerhalb eines Jahres rund 900.000 Follower (Abonnenten) hatte.
In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht er über die Schönheit der deutschen Sprache, die positive Seite der sozialen Medien – und über sein „Liebeslied“, das er in 85 Sprachen (auch in Latein) singen kann. Das komplette Gespräch hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider. Wartke arbeitet derzeit an seinem neuen, dem 7. Klavierkabarettprogramm, das Endes des Jahres Premiere in Berlin haben wird. Am 8. April 2025 ist er damit in der Laeiszhalle. Weitere Konzerttermine unter www.bodowartke.de/tour
Das sagt Bodo Wartke (Jahrgang 1977) über …
… seine Geburt in Hamburg und eine Jugend in Bad Schwartau: „Ich bin in Hamburg geboren und habe bis zum neunten Lebensjahr hier gelebt, bis meine sich Eltern getrennt haben und ich mit meiner Mutter nach Bad Schwartau gezogen bin. Was ein Einschnitt und ziemlich uncool war. So entwurzelt worden zu sein war schon echt hart für mich.“
… seine Firma Reimkultur, die zwölf Mitarbeiter hat: „Wir machen alles selbst. Angefangen von Management über das Booking bis hin zu Social Media, wird alles über unsere Firma Reimkultur abgewickelt, die in Hamburg sitzt. Die Gründung war ein wenig aus der Not geboren, weil sich damals keine Plattenfirma für mich und meine Musik interessiert hat. Irgendwann war klar: Wenn ich will, dass es eine Platte von mir gibt, muss ich selbst eine Plattenfirma gründen. Meine Mitinhaber und ich haben uns alles, was man dafür wissen muss, selbst draufgeschafft. Und sind heute sehr froh, dass wir von niemandem abhängig sind.“
… die Idee mit den Zungenbrechern: „Ich war auf der Suche nach etwas, was ich auf Social Media machen kann. Alles, was ich bisher an Liedern gemacht habe, war für Plattformen wie TikTok oder Instagram viel zu lang, sie sind mindestens drei Minuten lang bis hin zu meinen abendfüllenden Dramen. In der Kürze hatte ich kaum etwas, fand aber, dass es eine spannende Herausforderung war, etwas zu finden. Deshalb kam ich auf die Idee, bekannte Zungenbrecher herzunehmen, deren Geschichte weiterzuspinnen, sie in Reimform zu bringen und Musik darunterzulegen. Es fing an mit den üblichen Verdächtigen wie Fischers Fritz oder dem Potsdamer Postkutscher, also mit Zungenbrechern, die ich kannte. Und dann habe ich angefangen zu recherchieren, was es noch so gibt, und fand unter anderem den dicken Dachdecker. Eine sehr gute Quelle waren und sind dabei die Internetseite von Logopädie-Praxen, auf denen ich viele Zungenbrecher entdeckt habe.“
… die Neuentdeckung der deutschen Sprache: „Auf einmal werden Menschen aus anderen Ländern aufmerksam auf deutsche Zungenbrecher. Die dachten bisher, dass Deutsch diese aggressive Sprache von dem Volk ohne Humor ist, und stellen jetzt fest, wie toll das klingen kann und wie viel Spaß wir hier auch haben. Die Zungenbrecher führen dazu, dass überall auf der Welt Menschen ihre Vorurteile uns gegenüber infrage stellen.“
… Barbaras Rhabarberbar, ein Zungenbrecher, der zu einem Welthit wurde: „Es fing damit an, dass Leute sich auf Social Media filmten, wie sie das Lied hören und dabei etwas machen. In der zweiten Phase sind Videos von Influencern aufgetaucht, die zwar aus anderen Ländern kommen, aber in Deutschland leben, und sich komödiantisch mit deutschen Eigenheiten befassen, wie etwa der Sprache. Dann gab es Leute, die Rhabarberkuchen gebacken haben, während sie zu dem Lied getanzt haben. Schließlich wurde es weltweit zu einer Challenge, ob man den Text fehlerfrei mitsingen kann, was einigen Menschen aus anderen Ländern extrem gut gelungen ist. So zog das immer weitere Kreise, bis zwei australische Tänzerinnen sich spontan eine Choreografie ausgedacht haben, die wahnsinnig gut zu der Musik passt. Das war die nächste Stufe, weil das danach nachgetanzt wurde von ein paar der bekanntesten Tanzinfluenzer aus den USA. Das blieb natürlich nicht unbemerkt, unter anderem von der „New York Times“, die auf der Titelseite über Barbarbas Rhabarberbar und die Eigenheit der Deutschen, Früchte saisonal zu essen, berichtete.“
… sein Verhältnis zu den sozialen Medien, auf denen er inzwischen 1,8 Follower (Abonnenten) hat: „Ich finde die Strategie gut, den negativen Nachrichten, die sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreiten, positive Nachrichten entgegenzusetzen, die sich im Idealfall auch wie ein Lauffeuer verbreiten. Ich will schlechte Laune mit guter Laune bekämpfen, was zum Glück auch sehr gut zu funktionieren scheint. Grundsätzlich muss man sagen, dass die sozialen Medien nun einmal da sind. Man kann viel Schlechtes daraus machen, man kann auch viel Gutes daraus machen, das ist wie bei Religionen. Und die Entscheidung liegt bei einem selbst. Viele Menschen erreichen zu können ist doch per se nichts Verkehrtes. Ich blicke da weniger fatalistisch drauf als andere. Auf TikTok bin ich erst, seit ich die Zungenbrecher mache, also etwa seit einem Jahr – und das Interesse dort ist quasi explodiert, allein auf TikTok habe ich inzwischen fast 900.000 Follower. Mir war wichtig: Wenn ich dort etwas mache, möchte ich es gut machen und so, dass es mir Spaß macht und die Leute merken, dass es mir Spaß macht.“
… sein Talent, sich auf alles einen Reim zu machen, selbst auf das Grundgesetz: „Was ich gut kann, ist vorhandene Texte in Reimform zu übersetzen, und zwar im Handumdrehen und so, dass die inhaltlichen Aussagen erhalten bleiben. Dabei können die Originaltexte noch so sperrig sein – mir ist das sogar mit dem Grundgesetz gelungen.“
„Entscheider treffen Haider“
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… die Frage, was der enorme Erfolg in den sozialen Medien für sein normales Leben bedeutet: „Es hat sich gar nicht so viel verändert, außer, dass mich jetzt auch Kinder auf der Straße erkennen und ein Foto mit mir machen wollen. Verdient habe ich trotz des großen Erfolges bei TikTok gar nichts, ich glaube, die haben mir irgendwann mal 3 Euro überwiesen. Man hat die weltweite Verbreitung, aber man hat finanziell davon nichts. Ich hätte etwas davon, wenn dadurch mehr Menschen in meine Konzerte kommen würden, aber das bleibt abzuwarten. Wenn ich im Moment frage, wer denn wegen der Zungenbrecher eine Karte gekauft hat, melden sich vielleicht zehn Leute. Die meisten meiner Zuschauer kennen mich nach wie vor aus dem Fernsehen, zum Beispiel von 3sat.“
… das „Liebeslied“, eines seiner größten Hits, das er aktuell in 85 verschiedenen Sprachen singen kann:
„Die Zuschauer dürfen sich in meinen Konzerten die Sprachen wünschen, in denen ich es singen soll. Wenn ich in Deutschland auftrete und Menschen das Lied noch nicht kennen und mich testen wollen, wünschen sie sich meistens Suaheli. Weil alle denken, dass Suaheli eine besonders schwere Sprache ist, dabei ist es eigentlich relativ leicht erlernbar. Wenn die Leute das Liebeslied kennen, dann wünschen sie sich oft Latein oder Klingonisch, weil sie wissen, dass ich beides kann. Soll heißen: Obwohl ich den Menschen die freie Wahl lasse, sind ihre Wünsche vorhersehbar.“