Hamburg. Martin Bronsema macht bei der großen Plakataktion „Kunst schafft Demokratie“ von MeetFrida in Thüringen vor der Landtagswahl mit.
Eine Schwarz-Weiß-Fotografie mit zwei uniformierten Männern, die sich die Hand reichen, im Hintergrund stehen weitere uniformierte Soldaten stramm. Sofort ordnet das Gehirn das Bild in die Zeit des Nationalsozialismus ein. Doch etwas ist komisch daran: Die schwarzen, glatt polierten Stiefel sind zerstückelt, Beine und Arme auf die Hälfte gekürzt, von den Gesichtern sind nur schemenhafte Teile zu erkennen. Die Szene wirkt wie zwischen zwei derangierten Zwergen. Darunter steht: „Kannste knicken!“
Die sogenannten Faltnazis stammen vom Hamburger Künstler Martin Bronsema und sind sein Beitrag zur Aktion „Kunst schafft Demokratie“, ins Leben gerufen von der Hamburger Unternehmerin Anna Schwan mit ihrer Plattform MeetFrida.
Sie soll im öffentlichen Raum Menschen während der heißen Phase des Thüringer Landtagswahlkampfs (die Wahl ist am 1. September) zum Nachdenken, Diskutieren und Handeln anregen: Dafür werden ab 20. August 350 großformatige Plakatflächen an stark frequentierten Orten wie Straßen, Unterführungen oder Litfaßsäulen zur Ausstellungsfläche umgenutzt – für Kunst, die sich mit Demokratie auseinandersetzt.
Plakataktion: Hamburger Künstler mit „Faltnazis“ gegen Rechtsextremismus
„Ich wollte unbedingt mitmachen. Und meine ‚Faltnazis‘ passen da wie die Faust aufs Auge“, sagt Martin Bronsema, der unter 40 Einsendungen des Open Call zu einem der drei Gewinner gekürt wurde „Aufpassen jetzt, damit sich Geschichte nicht wiederholt!“, ist seine Botschaft gegen antidemokratische Kräfte und Rechtsextremismus. Dafür hat er den signifikanten Handschlag zwischen Adolf Hitler und seinem treuen Stellvertreter Rudolf Heß verwendet; dieser war im Dritten Reich für die Gleichschaltung von Staat, Polizei und Justiz verantwortlich.
Das verwendete Foto stammt aus einer Ausgabe des „Spiegel“. Der Künstler hat ein ganzes Archiv davon geerbt und durchkämmt es nach Themen für seine Arbeit. Er habe sich schon immer für deutsche Geschichte interessiert, so Bronsema. Auffällig sei bei dem Magazin dessen durchweg männliche Perspektive und die Konzentration auf männliche Themen wie Militarismus oder eben Nationalsozialismus. Mittels seiner Collagetechnik, dem Übermalen oder Falten, entstehe eine Brechung, Korrektur oder gar Zensur. „So kann ich selbst Nazi-Größen, die in ihren langen Mänteln oder hoch zu Pferd so gebieterisch wirken, der Lächerlichkeit preisgeben.“
Anna Schwan will „schweigende Mehrheit“ zur Wahl mobilisieren
Besonders bereitet dem Vater zweier Teenager Sorge, wie geschickt die AfD beispielsweise auf TikTok für sich wirbt und damit erschreckend viele jüngere Menschen erreicht. Was Kunst dagegen ausrichten kann? „Vielleicht einen Gedanken öffnen und gegen den derzeitigen politischen Trend anarbeiten“, so Bronsema. Dabei setzt er auf die optische Wucht durch die großflächige Plakatierung: „Ich hoffe, dass ich durch meine ‚Faltnazis‘ Aufmerksamkeit erzeuge und zum Nachdenken anrege.“
„Ich freue mich über die Einsendungen von Künstlerinnen und Künstlern aus ganz Deutschland und die Kooperation mit dem Kunstfest Weimar“, sagt MeetFrida-Gründerin Anna Schwan. „Mit unserer Aktion möchten wir die schweigende Mehrheit für die demokratischen Werte sensibilisieren und zur Wahl aufrufen. Wir laden jeden ein, daran teilzunehmen – ob soziale oder kulturelle Einrichtungen, Schulen, Einzelhändler, Gastronomen oder einzelne Bürger und Bürgerinnen.“ Die Kunstwerke können unentgeltlich für die Eigennutzung heruntergeladen werden, ob zum Online-Teilen oder Aufstellen im Schaufenster.
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Kooperationspartner der Aktion ist das Kunstfest Weimar, das vom 21. August bis zum 8. September rund um die Thüringen-Wahl unter dem Motto „Wofür wir kämpfen“ stattfindet. „Welchen besseren Ausdruck hätte dieser Slogan finden können, als mit dieser Kunstaktion?“, findet Rolf C. Hemke, künstlerischer Leiter des Kunstfests. Außerdem unterstützen noch weitere Partner die Aktion, darunter Siemens Arts Program, ERNA Stiftung, Amadeu Antonio Stiftung, GLS Treuhand, Stadtverwaltung Erfurt, Weltoffenes Thüringen, Kulturmanagement Network und die Thüringer Agentur für die Kreativwirtschaft.
Neben Martin Bronsema, der selbstverständlich auch nach Weimar reisen wird, wurden die Künstlerinnen Coco Bergholm und Kimiya Justus von der Jury für die Plakataktion ausgewählt: Bergholm steuert eine „Umbrella Demo“ bei, Justus ruft in ihrem poppig-bunten Motiv direkt auf „Wähle für unsere Demokratie“. Neben den Werken dieser drei Kreativen werden zusätzlich die Arbeiten von Natasa Biza, Ivo von Renner, Kathryn Gohmert und Brigitte Puschmann während des Kunstfests in der Bauhaus-Universität Weimar gezeigt.