Hamburg. Das Bargheer Museum zeigt Pariser Einflüsse auf die Hamburger Moderne, das Ernst Barlach Haus würdigt den Maler Hans Platschek.
Ein Crémant zum impressionistischen Hafengemälde von Ivo Hauptmann, anschließend ein frischer Chardonnay vor einem Porträt von Anita Rée und zum Abschluss ein Dessertwein zum „Roten Akt am Meer“ von Karl Kluth. So in etwa könnte es am Freitagabend im Bargheer Museum zugehen, bei der ersten Weinprobe vor Bildern – „Paris lässt grüßen“. Kunst mit allen Sinnen und mit Leichtigkeit genießen ist das Motto von Friederike Weimar, die nicht nur die Ausstellung mit diesem Titel, sondern auch ein sehr besonderes Rahmenprogramm inklusive französischer Filme, Konzerten und eines Pariser Cafés im Innenhof des Museums kuratiert hat.
Zu sehen sind rund 20 Gemälde von Eduard Bargheer und etwa 30 Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Paul Kayser, Ernst Eitner und Gretchen Wohlwill. Letztere stammen aus der 800 Werke fassenden Kunstsammlung der Haspa. „Schwerpunkt der Sammlung ist die klassische Moderne, und was liegt da näher, als eine Auswahl mit einem ihrer Hauptvertreter in Dialog zu setzen?“, so die Kunsthistorikerin, die mit der Banken-Kunst an verschiedene Orte tourt. Gemein ist den Kreativen aber noch etwas Zentrales: Sie alle wurden durch die École de Paris geprägt und inspiriert.
Jenischpark in Hamburg: Französisches Lebensgefühl und Kunst zum Streiten
Getreu dem Motto des Finkenwerder Malers, „in der Kunst gibt es (...) kein Kommen aus dem Nichts“ (1967), machten sich die Deutschen mal mehr, mal weniger enthusiastisch (man war ja auch schon wer) auf nach Frankreich, um große Farbflächen bei Henri Matisse, dunkle Umrisslinien bei Paul Gauguin und kubistische Perspektiven bei Georges Braque und Pablo Picasso zu studieren. „Und wie in den Gemälden der Franzosen werden nun auch in Hamburg Farbtupfer gesetzt, die die Motive miteinander verbinden“, sagt Friederike Weimar. Zum Beispiel in Alma del Bancos „Blumenpflückendes Mädchen“.
Auch Bargheer, den man hauptsächlich mit dem Licht und der Landschaft Italiens verbindet, ist von der internationalen Kunstszene der Seine-Metropole offensichtlich beeindruckt. So malt er 1933 den Place de la Concorde mit derselben Hingabe und einer ähnlich hellen Farbpalette wie ein Jahr später den Fischereihafen Finkenwerder. In sein Porträt der „Amerikanerin (Schnuck)“ von 1932/33 arbeitet er impressionistische Details ein. Und sogar zu einer für ihn sehr untypischen sozialkritischen Straßenszene lässt er sich bewegen: „Der Esser“ von 1927.
Platschek war Widerspruchsgeist und Wandler zwischen den Welten
Nach so viel französischem Lebensgefühl und Harmonie in Bildern kommt keine 500 Meter weiter das künstlerische Kontrastprogramm in Gestalt des Malers Hans Platschek (1923–2000). Als einen „Widerspruchsgeist“ und einen der „größten deutschen Künstler der informellen Malerei“ kündigt Karsten Müller die Retrospektive im Ernst Barlach Haus an. Obwohl Platschek 30 Jahre lang bis zu seinem Tod in Hamburg verbrachte, als mitunter sehr scharfzüngiger Kritiker für Magazine wie „Art“ schrieb, seine Atelierwohnung in den Grindelhochhäusern hatte, ist sein Name nicht unbedingt geläufig. Das soll sich nun mit der bereits zweiten Ausstellung über den Künstler im Jenischpark ändern.
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Wer den Rundparcours durchschreitet, wird schnell feststellen, dass Platschek ein Wandler zwischen den Welten war. Sind seine frühen abstrakten Werke noch durch das Exil der Familie in Uruguay geprägt, wo er als Karikaturist antifaschistischer Themen bekannt wurde, bewegen sich die beeindruckenden großformatigen Arbeiten in den 1960er-Jahren wischen ungegenständlicher und konkreter Kunst wie etwa „Höllensturz“ (1962). Und nur einen Raum weiter begegnet einem sein satirischer Realismus: das in der Menge tanzende Paar Elsbeth und Herbert Weichmann („Ein netter Abend“, 1972) oder „Das Wunschkind“ (1970), das grimmig aus seinem Kinderwagen blickt.
Bis ins hohe Alter bewahrte sich der Künstler seinen bissigen Humor
Eine Reise in die eigene Vergangenheit nach Montevideo entstand während seiner Hamburger Jahre; hier zeigt sich der Künstler als Expressionist, seine Bilder von Hafenanlagen, Reklametafeln oder einem riesigen Heißluftballon sind in einem fast schlampigen Stil gemalt, was viele Kritiker bemängelten. Platscheks Wesen und Werk waren immer streitbar. Und sollten es auch sein. Zu groß war die Furcht des in die „Tätergesellschaft“ zurückgekehrten Künstlers, routiniert zu werden. „Er stellte andere Künstler, aber auch sich selbst ständig infrage“, so Müller, wollte gegen die „leise Kunst“ antreten, lieber anstößig sein als vom Kunstmarkt goutiert werden.
Zu seinen letzten Bildern in der sehr sehenswerten Ausstellung, die stilistisch auf kuriose Weise zu seinen halb abstrakten Anfängen zurückkehren, zählen zwei Selbstporträts. Auf ihnen ist Platschek als alter, kranker Mann am Krückstock zu sehen. Seinen bissigen Humor hatte der Lebemann auch dann nicht verloren: Das vor Blut triefende Bild „Hahnenkämpfe“ (1995) ist um einen kleinen Störer ergänzt, eine ausgeschnittene Werbung für ein „Frisches Hühnchen“ zum Preis von 4,99. Ein echter Platschek.
„Paris lässt grüßen“ bis 3.11., Bargheer Museum (Bus 21 Marxsenweg), Hochrad 75, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 7,-/5,- (erm.); www.bargheer-museum.de. „Hans Platschek. Höllenstürze. Hahnenkämpfe. Nette Abende“ bis 13.10., Ernst Barlach Haus (S Klein Flottbek), Di–So 11.00–18.00, Eintritt 9,-/6,- (erm.); www.barlach-haus.de