Hamburg. Das SHMF brachte das O/Modernt Chamber Orchestra für „Vivaldi Rocks“ in die Elbphilharmonie. Raum für ein wenig Konzertradau.

Hätte der Herrgott in seiner grenzenlosen Geschmackssicherheit gewollt, dass keine Rock- oder Metal-Band dieses Universums ohne ein elektrisch verstärktes und verzerrtes Fagott auskommt, es wäre wohl genau so gekommen. Kam aber bekanntlich anders. Den Geiger Hugo Ticciati und sein O/Modernt Chamber Orchestra, beide für viel stilistische Abenteuerlust bekannt, hielt dieser deutliche Wink des Schicksals jedoch nicht davon ab, ein Programm namens „Vivaldi Rocks“ zu entwerfen, das Titel des Publikumslieblings aus dem Barock mit umarrangierten Hits der Altmeister Metallica, Muse und Dream Theater zusammenlötet. Als wären Äpfel auch nur umlackierte Birnen. Soweit das Setting beim dritten Vorab-Abend des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Großen Saal der Elbphilharmonie.

Prinzipiell eine interessante Idee – Massenphänomene waren beide Lager, jeweils zu ihrer Zeit, jeweils mit ihren Mitteln, vor allem instrumental. Doch die unterschieden sich nun mal sich deutlich. Barock und Rock, nicht nur sprachlich Brüder im Geiste? Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Und auf die Idee zu kommen, Cliff Burtons offenbar legendäres, heiliges E-Bass-Solo aus dem Metallica-Klassiker „Pulling Teeth“ ausgerechnet einem gefürchtet schwer zu bedienenden Doppelrohrblattinstrument zu geben, das dafür in keiner Weise gedacht ist und durch den Verzerrer gejagt klingt, als wäre ein längerer Klempnertermin sehr akut? Nun ja.

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Der brachiale Schalldruck, ohne den Metal-Radau nicht amtlicher Metal-Krach wäre, hielt sich bei den Rock-Anteilen des Abends ohnehin in überschaubaren Grenzen. Woher sollte er auch kommen? Etwas zu gewollt also und zu wenig überzeugend gekonnt, da konnte sich der ensembleeigene Schlagwerker hinter seinen Schallschutzwänden noch so manierlich in Richtung Rage spielen. Die rhythmisch straffen Streicher-Riffs davor blieben vor allem rhythmisch straffe Streicher-Riffs. Und auch das durchaus virtuose Rockorgel-Georgel blieb im Rahmen des Crossover-Anständigen. Ohrenbluten deswegen drohte jedenfalls nie und nimmer.

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Gediegene Lebenszeitverpulverung also letzlich? Das nun auch nicht, denn die originellen Vivaldi-Partien (interessant: die Soli-Kombi aus Fagott und Kontrabass als Double für die originalen zwei Celli) neben den unvermeidlichen „Quattro Stagioni“-Portionen zeigten, dass O/Modernt und erst recht der Bandleader Ticciati ihre Hausaufgaben in Sachen historisch informierte Aufführungspraxis durchaus gemacht haben.