Hamburg. Die Metal-Legende beim ersten von zwei Konzerten im Volkspark: Laut war’s, feurig – und fast religiös.
- Das erste Mal in fünf Jahren trat Metallica an Pfingsten wieder in Hamburg auf
- Das Konzert im Volksparkstadion lockte Metal-Fans aus allen Generationen an.
- Zurecht! Denn der Auftritt war mehr als beeindruckend
Um Viertel vor neun wurde es laut. Richtig laut. Auf den Rängen und auf den Stehplätzen, von wo aus zunächst der Vorglüher vom Band (AC/DCs „It’s A Long Way To The Top“), dann das leibhaftige Veteranen-Quartett des Thrash Metals hocherfreut begrüßt wurde: zum ersten von zwei Metallica-Konzerten im Volksparkstadion.
Der erste Auftritt der Band seit 2018 in der Hansestadt, damals spielte Metallica in der Barclays Arena. Und mit welchem Song ging das Metal-Wochenende 2023 los? Mit „Creeping Death“. Und mit einer Schallmassage des Trommelfells, die Superstars waren gefühlt akustisch noch mal brutal geräuschvoller als die Vorbands unterwegs. So will man das jedenfalls sehen und hören, Ehre, wem Ehre gebührt.
Metallica in Hamburg: Viel Beinarbeit auf der Bühne
Danach „Harvester Of Sorrow“ (ja, schwarz war der Dresscode) und viel Beinarbeit auf der Bühne. Gibt es eine Band, deren Mitglieder weiter auseinanderstehen beim gemeinsamen Krachmachen? Fürs große Publikum ist das perfekt: Das direkt In-die-Reihen-Dreschen von Gesang und Akkorden ist so ein weitläufiges Manöver. James Hetfield überall, aber immer ganz bei sich. Im Wutschreien gegen die Welt.
Die Bühne in der Mitte, kreisrund, ihr Kern bestand aus dem Snake Pit mit den edelsten Plätzen für ein paar Dutzend Hardcore-Fans. Metal Heaven und Herz der Finsternis, das ist hier beides genau richtig: Die Band umrundete (auch Schlagzeuger Lars Ulrich) die Fans während des Konzerts.
Wenn der Fernblick nicht täuschte, war der Snake Pit eine maskuline Angelegenheit. Auch andere Zuschauerbereiche waren enorm divers besetzt: mit älteren Männern, mittelalten Männern, noch jungen Männern, fast jungen Männern und tatsächlich jungen Männern.
Metallica in Hamburg: Wie ein großer Familienausflug
Anderswo war Metallica in Hamburg aber auch ein Familienausflug: Die größte Metal-Band der Welt zieht nicht zu knapp weibliches Publikum an. Hart sind nicht nur Jungs. Und längst nicht alle Besucherinnen und Besucher kamen aus Deutschland, geschweige denn Hamburg. Man hörte viele Sprachen, Italienisch, Polnisch, Hessisch, um nur einige zu nennen. Einer rief noch auf dem Parkplatz ein internationales „Metal is religion“ in die Runde. Teufel aber auch, wahrscheinlich hatte er Recht, so stark wie der Glaube bei allen zu spüren war, an diesem Abend etwas Besonderes zu erleben.
Das neue „72 Seasons“ erwies sich als Moshpit-tauglich. Bei „If Darkness Had A Son“, ebenso neu, ging das Stadion auch gut mit. Auf den Leinwänden sah man vier Metall-Arbeiter, die schufteten und schwitzten. Da wollten sich, was körperintensives Rumspringen angeht, manche im Publikum nicht lumpen lassen.
Metallica in Hamburg: Hämmern und Fräsen als geschlossener Zirkel
Diese Musik, dieses Hämmern und Fräsen, ist ein geschlossener Zirkel. Ja auch jenseits der Riff-Rampe, von der die Band um ihren Chefneurotiker Hetfield ihre Lärmbomben in die Welt schickt: Ums gleich mal zu sagen – im Setting eines Stadionkonzerts hilft viel viel. Das Geschrubbe schraubte sich im Volkspark, vor geschätzt 50.000, in eine Dimension infernalischen Krachs, die Metalhead-Buden mit auf Anschlag gedrehter HiFi-Anlage halt nie erreichen können.
Also, der Kreis, die Bewegung hin zu den Ursprüngen. Metallica beackern in ihrem neuen Album „72 Seasons“, dem ersten seit sieben Jahren, das Feld von Kindheit und Jugend. Mit fast 60 wohlgemerkt singt Hetfield nun Songs, die „Screaming Suicide“, „You Must Burn!“ (wurde in Hamburg gespielt) und „Sleepwalk My Life Away“ heißen. Schon klar, die Saat fürs spätere Unglück wird in den frühen Jahren gelegt.
Metallica in Hamburg: Eine große All-Ager-Angelegenheit
Aber es gibt ja auch spätes Glück: In der Jugendserie für Jugendliche und Erwachsene „Stranger Things“ bat der Märtyrer Eddie Munson das Böse mit „Master of Puppets“ zum Tanz. Dürfte der Band ein paar jüngere Fans hinzugewonnen haben und auch sonst das Pommesgabel-Band der Generationen enger geknüpft haben. Dass Metallica eine All-Ager-Angelegenheit ist, zeigte sich im Volkspark wie erwähnt durchaus; die Mehrzahl der Leute aber natürlich: bestens gealtert.
Die jungen Leute in der Netflix-Serie haben so ihre Adoleszenzprobleme, und die sind manchmal monströs – Demogorgon als Metapher der Teenage Angst. Hetfield, Ulrich, Kirk Hammett und Robert Trujillo haben, siehe „72 Seasons“, jene Teenage Angst als brauchbaren Antrieb fürs Metallica-Tun der Gegenwart ausgemacht. Mit Metaphern hatten sie selbst es aber nicht so: Das Band-Böse, die Zerwürfnisse und Konkurrenzen, therapierten sie vor 20 Jahren mit dem psychoanalytischen Film „Some Kind of Monster“.
Metallica überraschen mit Ausflugsziel zwischen Konzerten
Komisch aber, dachte man damals schon; wer so rabiat schreit, trommelt, Bass- und Gitarrenläufe losschickt, der muss doch in dieser Wut Katharsis genug finden? Ist nicht jedes Metallica-Konzert eine Austreibung negativer Säfte? Und für den trockenen Alkoholiker Hetfield, der gerade einen kurzen Rückfall hatte, aber schnell und mithilfe professioneller Behandlung wieder klarkam, sowieso eine Erfolg versprechende Beschäftigungseinheit.
Metallica in Hamburg: Ein „No Repeat Weekend“
Die auf je zwei Konzerte pro Ort angelegte Tournee ist ein All-inclusive-Angebot für Superfans: Nimm zwei, dann kriegst du die doppelte Dröhnung. Aber ohne wiederholendes Element. Also, dies nicht bezogen auf das immerzu Repetitive des Sounds, sondern auf den einzelnen Song.
Die Setlists unterscheiden sich total (die Band nennt das Konzept das „No Repeat Weekend“), sind aber ähnlich strukturiert: Als harte, zweistündige Rock-Revue durchs eigene, legendäre Werk. Drei Songs vom neuen Album jeweils, dazu ein Best-of aus dem Gesamtwerk.
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Am Freitagabend mit den Klassikern aus „Master Of Puppets“, dem schwarzen Album („The Unforgiven“, „Wherever I May Roam“) und „Ride the Lightning“. Von „Load“, das die Alternative-Rock-Fans der 90er-Jahre abholte, wurde „Until It Sleeps“ gespielt, wahnsinnig energisch. Ehrlich? Einer ihrer besten Songs, so wie „Whiskey In the Jar“, wobei das ja gar nicht von Metallica ist.
Dynamik ist doch eine schöne Sache, und Melodik eh. Aggressivität und Wut, das ist der Treibstoff von Heavy Metal, und Metallica war immer dessen schlüssigster Repräsentant. Der Ablasshandel mit den negativen Energien war kommerziell maximal einträglich für die Band, die sich heute, wie Lars Ulrich kürzlich erzählte, jeden Morgen in einer Whatsappgruppe über das jeweilige Befinden austauscht und gegenseitig stützt.
Metallica in Hamburg: Harte Hunde, ganz liebevoll
Was für eine empathische Unternehmung! Und: Wie pfleglich und nächstenliebend die harten Hunde doch eigentlich miteinander umgehen. Das sei noch mal erwähnt, um das laute Zorn-Theaterstück, das an diesem Abend auch im Volksparkstadion aufgeführt wurde, richtig einordnen zu können. Headbanger sind wahrscheinlich die freundlichsten Menschen überhaupt. Sie helfen alten Frauen über die Straße und melden dem Moderator ihres Internetforums sofort jede Form von Hate Speech.
Die Songauswahl ergab mit „One“ von „... And Justice For All“ – feuerspeiende Bühne! – ein knackiges Set, das keine Band-Epoche unberücksichtigt ließ. Und es kann dramaturgisch natürlich nicht besser für ein Metallica-Konzert sein, wenn es währenddessen dunkel wird. Die Verschattungen der Seele wurden im weiten Rund fröhlich gefeiert, mit emporgereckten Fäusten – ganz prächtig auch bei „Battery“.
Ganz zum Schluss spielte die nimmermüde, immer schnelle und lauteste Band unter dem Sternenhimmel „Enter Sandman“. Der Rock ist natürlich nicht tot, die Gitarre ist noch vollgepumpt mit Leben: Im Volksparkstadion zelebrierten vier alte Männer ihre Kraft mit Hingabe und Inbrunst.
Metallica in Hamburg: Das Höllenfeuer erlischt kurz vor elf
Um kurz vor elf war Schluss. Das Höllenfeuer erlosch, nachdem die Band es mit Riffs und geprügelten Drums zwei Stunden angefacht hatte. Sonntag geht es weiter, bis dahin heißt es: Nacken massieren und Metallica-T-Shirt waschen.