Hamburg. Im Großen Saal gab es mit dem Teatro La Fenice eine Einstimmung auf den Venedig-Festivalschwerpunkt. Und ein paar sparsame Blicke.
Man wolle halt schonmal ein bisschen vorglühen, erklärte Intendant Christian Kuhnt lausbübisch bei seiner Begrüßung im Großen Saal. Deshalb hat das Schleswig-Holstein Musik Festival bereits vor der offiziellen Eröffnung am kommenden Wochenende drei Konzerte in der Elbphilharmonie programmiert. Das mittlere läutete den diesjährigen Venedig-Schwerpunkt ein. Mit dem Orchester vom Teatro La Fenice, dem berühmten Opernhaus der Lagunenstadt, das auf Einladung des SHMF nach Hamburg gereist ist. Allerdings ohne venezianische oder überhaupt italienische Werke im Gepäck. Unter Leitung von Markus Stenz spielte das Ensemble Werke von Bruckner und Mendelssohn – und offenbarte auch da eine ganz eigene Handschrift.
In Mendelssohns Violinkonzert profitierte das Orchester spürbar von der eigenen Opernerfahrung. Denn es begleitete, mit wenigen Abstrichen, wunderbar. In den schnellen Passagen nicht immer mit der allerletzten Präzision. Aber total delikat und sensibel.
Schleswig-Holstein Musik Festival in der Elbphilharmonie: Vorglühen mit Bruckner
Der junge Geiger Vikram Francesco Sedona nutzte diesen Freiraum, mit seinem süßen Ton erkundete er viele Piano-Schattierungen und Nuancen. Manchmal zart, manchmal spritzig-virtuos – und oft ganz intim. Sein Dialog mit dem Orchester wirkte stellenweise so kammermusikalisch, dass einem die Dirigierbewegungen von Markus Stenz fast ein bisschen überdimensioniert vorkamen. Andererseits hätte die Interpretation einen Tick mehr von jener Leidenschaft vertragen, die Mendelssohn im ersten Satz ausdrücklich fordert („Allegro molto appassionato“) und die man einem italienischen Ensemble ja gern als naturgegeben unterstellen möchte. Dafür erfüllte das Orchester die Erwartungen an die besondere vokale Qualität geradezu bilderbuchartig. Hinreißend, wie seine Mitglieder, etwa die Solo-Oboistin, auf ihren Instrumenten sangen und mit dem Solisten mitschwelgten.
Großer Jubel, schon zur Pause, von dem sich Sedona zu üppigen drei Zugaben angespornt fühlte. Irgendwie sympathisch, aber auch ein bisschen drüber. Dafür kassierte der hochtalentierte Geiger nicht nur Bravorufe vom Publikum, sondern mit der Zeit auch ein paar eher sparsame Blicke aus dem Orchester.
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Aber die waren in der zweiten Hälfte längst vergessen. Bei einer Aufführung von Bruckners siebter Sinfonie, die immer wieder überraschte. Mit freien Tempi, die vorandrängen, mit einem glutvollen Ton der Streicher und mit plötzlichen Ausbrüchen. Markus Stenz rückte das Geregelte und Gleichmäßige der Sinfonie weiter in den Hintergrund als viele seiner Kolleginnen und Kollegen. Bei ihm klang die Musik stürmischer, spontaner, explosiver. Auch im Scherzo, in dem er mit hoch ausgestreckten Armen Blitze zu schleudern schien. In ein Orchester, das vielleicht nicht hundertprozentig homogen klingt, aber eine mitreißende Energie entfacht – und die Steigerungen und Kontraste an manchen Stellen beinahe opernreif zuspitzt. Bruckners Siebte als instrumentales Drama. Ungewohnt, aber spannend!