Hamburg. Nach seinem Wirbelbruch begeistert der Liedermacher mit einem phänomenalen Drei-Stunden-Konzert – allerdings ohne Hüftschwung.

Konstantin Wecker wagt einen kurzen Hüftschwung, schüttelt dann feixend den Kopf. Tanzen? Das ging nicht wirklich an diesem Mittwochabend in der ausverkauften Laeiszhalle. „Eigentlich wäre ich jetzt in der Reha, aber die Tour macht mehr Spaß“, sagt Wecker gleich zu Beginn. Im Dezember war er in Basel beim Gang aus der Sauna ausgerutscht und hatte sich einen Rückenwirbel gebrochen. Zu den Konzerten, die er verschieben musste, zählte auch der Auftritt in Hamburg. So spielt er nun eben am „Tag der Arbeit“ in der Laeiszhalle.

Ein in jeder Hinsicht passendes Datum. Der Münchner hat sich schon immer für die Entrechteten eingesetzt, für Abrüstung, für Solidarität und nennt sich einen radikalen Pazifisten. Sein bekanntestes Friedenslied singt er an diesem Abend nur kurz an – womöglich spürt er, dass der Vers „Wenn unsere Brüder kommen, mit Bomben und Gewehren, dann woll‘n wir sie umarmen, dann woll‘n wir uns nicht wehren“ in Zeiten des barbarischen Angriffs des Despoten Putin auf die Ukraine zynisch wirken könnte. Stattdessen singt er „Es ist an der Zeit“, das so berührende Lied seines Weggefährten Hannes Wader über das Grab eines Soldaten in der Champagne im Ersten Weltkrieg.

Laeiszhalle Hamburg: Konstantin Wecker begeistert nach Wirbelbruch mit Drei-Stunden-Konzert

„Utopia 2.0 – wir werden weiter träumen“ nennt Wecker sein Programm, das er in der Laeiszhalle zum letzten Mal spielt. Ein Träumer war Wecker schon immer. „Mit meiner Spiritualität hatte ich es bei den 68ern nie leicht“, sagt er. Auch an diesem Abend preist Wecker die Liebe, die Sinnlichkeit, das Sentiment mit Liedern wie „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“. Musikalisch bleibt er in seinem Fach auch dank seiner phänomenalen Band unerreicht, kein anderer Liedermacher arrangiert seine Songs so aufwendig mit Elementen aus Folk, Jazz und Klassik.

Dann wechselt Wecker wieder in die Politik, solidarisiert sich mit den Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“. Dogmatiker mochte er dennoch nie: „Wir müssen nicht immer einer Meinung sein, es reicht, wenn wir unsere Sehnsüchte teilen.“

Bei Laeiszhallen-Konzert in Hamburg – Frau stürmt zu Konstantin Wecker auf die Bühne

Wie sehr ihm dies auch nach als mehr als fünf Jahrzehnten musikalischen Schaffens gelingt, zeigt die Zugabe mit „Questa nuova realtà“. Wecker geht durch die Reihen, singt den Vers „Umarmen wir jetzt jeden, der uns braucht in dieser bitterkalten Zeit“. Eine Frau stürmt nach vorn, drückt ihn ganz fest – und kann ihr Glück kaum fassen.

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Am 1. Juni wird Wecker 77, seine Schaffenskraft scheint unerschöpflich, auch an diesem Abend spielt er wieder drei Stunden: „Ich werde zwar älter, aber meine Konzerte nicht kürzer.“ Im Mai tourt er weiter mit „Lieder meines Lebens“ an der Seite seines Pianisten Jo Barnikel. Im Oktober startet er dann das Programm „Soundtrack meines Lebens“ mit seinen Film- und TV-Musiken, etwa zur Serie „Kir Royal“. Am 3. November kehrt er dafür mit Orchester in die Laeiszhalle zurück.

Konstantin Wecker, Soundtrack meines Lebens, 3. November, 20 Uhr, Laeiszhalle, Karten ab 56,95 Euro