Hamburg. Schumann konnte es auch orientalisch filigran: Kantor Jörg Endebrock dirigiert „Das Paradies und die Peri“. Ein Abend für Heitere!

Woher kommt diese Melodie? Wie eine Feder segelt sie in Arabesken von der Saaldecke der Elbphilharmonie herab, ganz ohne Bass, bevor sie auf den Griffbrettern der ersten Geigen landet. Nach und nach flechten sich die übrigen Instrumente ein, die unteren Streicher formulieren eine Gegenbewegung, das Horn setzt ein paar Tupfer, die Harmonik verfestigt sich von der Ahnung zur Aussage. Bis ein paar Schlaufen und Bögen später auch Ohr und Herz glauben, was im Programmheft steht: Es handelt sich um Musik von Robert Schumann. Jörg Endebrock dirigiert, der Chor St. Michaelis singt, das ensemble reflektor spielt „Das Paradies und die Peri“.

Elbphilharmonie: Michel-Kantor Jörg Endebrock bringt überirdische Musik in den Großen Saal

Das Stück war im 19. Jahrhundert Kernrepertoire des bürgerlichen Konzertlebens, heute klingt schon der Titel seltsam. Die besagte Peri führt uns weg vom europäisch-christlichen Erzählungsschatz in die Mythenwelt des Orients. Das Wort steht für ein Wesen, das wegen einer Verfehlung aus dem Paradies verbannt wurde. Bei Schumann bekommt die Peri eine zweite Chance: Sie darf wieder ins Paradies, wenn sie das herbeibringt, was dem Himmel am teuersten ist.

Die Dichtung hat der Komponist dem Epos „Lalla Rookh“ des Iren Thomas Moore entnommen. Solostimmen und Chor erzählen die Handlung, eine Szene gibt es nicht: Zu welcher Gattung gehört „Das Paradies und die Peri“ denn nun? Der Komponist selbst nannte es kurzerhand ein „Oratorium für heitere Menschen“. Ein Oratorium, das einen Märchenstoff zum Gegenstand hat und nicht wie in der Barockzeit ein biblisches oder historisches Geschehen: Das ist eigenwillig, eine Grenzüberschreitung. Schumann war Zeit seines Schaffens ein Suchender. Das macht ihn so faszinierend, deshalb wurde er so oft so tragisch missverstanden oder unterschätzt.

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„Heiter“ heißt nun keinesfalls, dass es lustig oder gar schenkelklopfend zuginge, dafür ist das Sujet zu filigran, der Ton zu liedhaft-intim. Die Mezzosopranistin Marie-Henriette Reinhold beginnt den Stimmenreigen und setzt den Maßstab für das Niveau des Abends. Mühelos fließt ihr Timbre, sie phrasiert hauchfein und singt hervorragend textverständlich. Mit der Sopranistin Katja Stuber, dem Tenor Patrick Grahl und dem Bariton Martin Walser bildet sie ein homogenes Quartett aus vier wunderbar natürlich und schlank geführten Stimmen, die die Kunst des Ensembles pflegen: Jeder nimmt sich auch mal zurück. Sie lassen der Peri den Raum, den die Figur braucht. Da lässt die Oper grüßen, Olivia Boen singt die Partie mit viel Vibrato und voluminösem Sopran. In der Höhe klingt sie manchmal ein wenig scharf.

Mit den Ensembles hat Endebrock ganze Arbeit geleistet. Der Chor gestaltet durchhörbar, präzise und farbig. Und das ensemble reflektor ist mit jugendlichem Schwung dabei. Ein bisschen müssen sich die Beteiligten zu Beginn noch finden, aber wie sie den komplizierten Schumann’schen Geweben Sinn und Empfindung verleihen, das verrät Könner. Könner mit Zukunft.