Hamburg. Bei dem Musikvermittlungsprojekt verbringen Grundschulklassen Zeit mit alten Menschen. Alle profitieren. Ein Besuch vor Ort.
Naylas Hobby ist: Rennen. Um es darzustellen, trippelt die blonde Zweitklässlerin, auf einem Stuhl sitzend, mit den Füßen. Ihr Klassenkamerad Yousouf neben ihr nennt „Chicken Wings essen“ und schaufelt dabei mit der Hand Richtung Mund. Klaus wiederum, der seinen Rollator am Saaleingang geparkt hat, muss einen Moment nachdenken, dann erinnern ihn seine Mitbewohnerinnen: „Bowling war doch dein Hobby!“ – „Und welche Bewegung macht man dabei?“, fragt Maura Kopschitz, die das Ganze moderiert. Alle beugen sich vor und machen eine Vorwärtsbewegung mit dem Unterarm. Und so geht es weiter im Kreis. Bis sich die ganze Gruppe mit Vornamen und Hobby vorgestellt hat, wird viel gelacht und auch schon mal aufgesprungen.
Staatsoper Hamburg: Wie ein Musikvermittlungsprojekt Kinder und Senioren verbindet
Die Klasse 2d der Grundschule Mendelstraße ist in das Wilhelm-Leuschner-Seniorenzentrum in Lohbrügge gekommen. Die Musiktheaterpädagogin Kopschitz, zwei Kolleginnen und ein Kollege geben einen Workshop. Der ist eine von vielen Stationen in einem Projekt der Staatsoper.
Unter der Überschrift „alt trifft jung“ bringt die Education-Abteilung des Hauses Grundschulkinder mit Seniorinnen und Senioren in Dialog. Man hat schon gemeinsam in der Opera stabile die Kinderoper „Kannst du pfeifen, Johanna“ erlebt, die ebenfalls die Beziehung zwischen den Generationen zum Thema hat. Zum Abschluss Ende Juni werden sie zusammen das Schulkonzert „Wenn mein Mond deine Sonne wäre“ im Bergedorfer KörberHaus besuchen.
An diesem Vormittag gibt das Team die Impulse so spielerisch in die Gruppe, dass die Dynamik wie von selbst entsteht. Es geht um die Beziehung zwischen jungen und alten Personen. Alle haben Bilder zum Thema mitgebracht. Viele der Fotos und selbst gemalten Bilder zeigen Großeltern. Man spürt an der Leichtigkeit, mit der die Kinder Kontakt mit den alten Menschen aufnehmen, wie wertvoll ihnen die Bindung über die Generationen hinweg ist. Als Kopschitz fragt, was sie alles miteinander unternehmen könnten, sprudeln die Ideen nur so: wandern, tanzen, vorlesen, schwimmen.
Staatsoper Hamburg: Spielerisch sammelt die Gruppe Ideen für die Bilder, die sie später basteln wird
Und singen natürlich. Das machen sie dann auch gleich mal, mithilfe eines wundersamen Instruments, das schon die ganze Zeit auf dem Boden liegt. Klangquadrat heißt es und besteht nur aus bunten Seilen, die vier Abteilungen bilden. Eva Binkle, die den Education-Bereich mit Kopschitz zusammen leitet, sagt an, welche Töne die Gruppe je nach Zeichen machen soll. Alle reagieren sofort, werden leiser oder lauter oder wechseln das Geräusch, wenn Binkle den Fuß in ein anderes Quadrat setzt.
Dass die verschiedenen Aktivitäten keinen offensichtlichen Zusammenhang haben, ist in diesem Stadium Absicht, wie Maura Kopschitz erklärt: „Wir regen damit die Fantasie an, und das clustert sich dann in den Köpfen zu Ideen. Wir sind immer wieder erstaunt, was sich von diesen Puzzlestückchen später beim gemeinsamen Basteln thematisch wiederfindet.“
Aus Tonpapier, Krepp, Korken und Pfeifenputzern entsteht eine Kurzszene für einen Film
Zum eigentlichen Thema des Vormittags kommen sie nach der Pause: Sie gestalten die Bilder für einen Stop-Motion-Film. Das ist gewissermaßen die digital gestützte Variante des guten alten Daumenkinos: viele kleine Standbilder, schnell hintereinander gezeigt, erzeugen die Illusion von Bewegung. In altersgemischten Gruppen sitzen sie an Tischen und diskutieren, wovon der Film erzählen könnte. Einzige Vorgabe ist, dem Projektthema entsprechend: Es muss mindestens eine junge und eine alte Person dabei sein. Fußball spielen vielleicht? überlegt die Baum-Gruppe, entscheidet sich dann aber für einen Besuch im Strandbad.
Ein blaues Stück Tonpapier ist das Wasser und bildet zugleich den Rahmen für das Bild. Zwei hölzerne Mundspatel werden zum Sprungbrett, eine Oma, bestehend aus einem Sektkorken mit einer pinkfarbenen Styroporkugel samt kurzen Lamettafädchen als Kopf, sonnt sich am Krepppapier-Strand. Vier Kinder und drei Seniorinnen basteln Schwimmer aus Pfeifenputzern, lassen sie vom Sprungbrett hüpfen und Wolken am Himmel entlangziehen, und Kopschitz fotografiert das Ganze schrittchenweise mit einem Tablet. Der Raum schwirrt von hellen Stimmen. Die Nähe ergibt sich dabei zwanglos. Jan-Hendrik sitzt neben Angelika und berührt vorsichtig eine Falte an ihrem Hals. „Was hast du da?“, fragt er. „Das bekommt man, wenn man älter wird“, erwidert sie unbefangen.
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Dass so eine Begegnung so möglich wird, dahinter stecken Erfahrung, konzeptionelle Gedanken und auch ganz schön viel Geld. Allein das Bastelmaterial würde manche Kitagruppe glücklich machen. Als Nächstes sollen die Filmchen vertont und die Musik aufgenommen werden, die Tontechnikabteilung der Staatsoper macht auch mit. Für den kommenden Workshop kündigt Eva Binkle den Besuch eines Dirigenten an: „Und wir werden richtig viele Instrumente mitbringen, verrückte und lustige.“ Orff’sche Instrumente nennt man die.
Bevor die Klasse aufbricht, singen sie noch mal alle zusammen. Und Nayla rennt kurz zu Angelika, um sie zu umarmen. Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal.