Hamburg. Die Aufführung in der Staatsoper bezieht das junge Publikum mit ein. Das sorgt für rührende Momente.

Zu den wichtigsten Aufgaben einer Kinderoper gehört es, sein junges Publikum wirklich abzuholen. Das nimmt die neue „opera piccola“-Produktion der Staatsoper wörtlich. Vor dem Einlass kommen zwei Hauptfiguren des Stücks „Kannst du pfeifen, Johanna?“ von Gordon Kampe ins Foyer der Opera stabile, um sich schon mal vorzustellen. Der quirlige, sensible Berra (Tenor Ziad Nehme) und der teddybärige Ulf (Bariton Grzegorz Pelutis) krabbeln auf die Garderobentheke, sie albern herum und futtern Baisers, wie es übermütige Jungs halt so tun – bevor sie alle Besucherinnen und Besucher auf ihre Plätze winken.

Kinderoper: Freundschaft, Spielfreude, Interaktion mit dem Publikum

Ein lebendiger Start, mit dem Regisseurin Maike Schuster die Leitmotive der Aufführung einführt: Freundschaft, Spielfreude, Interaktion mit dem Publikum, und nicht zuletzt: Lust auf Süßigkeiten. Zwei riesige Baiser-Berge dominieren das Bühnenbild (Lea Burkhalter und Anton von Bredow), das vorne links vom Dirigenten Luiz de Godoy und einem fünfköpfigen Instrumentalensemble bevölkert wird.

Die Musiker tragen Pullis im 60er/70er-Jahre-Stil. Nicht zufällig liegt ein Hauch von Altersheim in der Luft. Denn da findet Berra, der keinen eigenen Großvater hat, einen Opa zum Gernhaben. Nils (mit prächtigem Bass: Karl Huml) ist der dritte Mann im Bunde der generationenübergreifenden Freundschaftsgeschichte, erzählt nach einem schwedischen Kinderbuch.

Mitpusten, um den Drachen fliegen zu lassen

Die Oper von Gordon Kampe, entstanden 2013, verdichtet zentrale Szenen des Buchs zu einem kurzweiligen, aber auch nachdenklichen und mitunter leise wehmütigen Stück Musiktheater. Ulf und Berra besuchen dessen gefühlten Opa, sie spielen Uno mit ihm oder versuchen einen Drachen fliegen zu lassen. Das klappt allerdings nur, wenn jeder im Raum ordentlich mitpustet. Fffffffff!!

Schön, wie die Aufführung das Publikum einbezieht. Der vielleicht rührendste Moment ist das Ständchen zum spontan angesetzten Geburtstag von Opa Nils, bei dem Kinder und Erwachsene auf die Bühne kommen, um Kerzen ins Geburtstagsbaiser zu stecken, während alle zusammen „Viel Glück und viel Segen“ anstimmen.

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Kinderoper: Johanna ist eine Art gute Fee

Kampe spielt virtuos mit Zitaten oder Stilkopien und beschwört damit den Sound von Vergangenheit und Rückblick. Etwa wenn er Nils eine barock anmutende Arie in den Mund legt oder im Titelsong „Kannst du pfeifen, Johanna?“ – mit dem sich Nils an seine verstorbene Frau erinnert – einen Schlager aus den 30ern anklingen lässt.

Der Komponist nutzt griffige Melodien, er lässt aber auch den Sprechdialogen genug Raum und untermalt die Handlung mit einer gestischen Klangsprache. Etwa, wenn er sein vorwiegend mit tiefen Instrumenten besetztes Ensemble beim Gedanken an Rückenschmerzen ächzen und stöhnen lässt.

So kreativ, wie Kampe die Geschichte vertont, setzt Maike Schuster sie in Szene. Dass sie die Handlung um eine stumme Mädchenrolle der Johanna (Anastasia Monastyrski) ergänzt, die als eine Art gute Fee immer im richtigen Moment weiterhilft, ist eine besonders starke Idee. Ein Schritt, um wirklich alle abzuholen – und nicht nur von Jungs und Männern zu erzählen.