Hamburg. Der US-Songschreiber für Frank Sinatra und Barbra Streisand holte sich im Kleinen Saal der Elbphilharmonie frenetischen Applaus ab.

Kaum zu glauben, dass der Mann da vorne am Flügel im Kleinen Saal der Elbphilharmonie mit knapp 77 Jahren seinen ersten Deutschland-Auftritt absolviert. Kraftvoll greift Jimmy Webb für „Highwayman“ in die Tasten. Gleich darauf erklingt „The Moon is a Harsh Mistress“ mit einer kleinen Reminiszenz an den Komponisten Claude Debussy.

Die Songs aus seiner Feder kennt jeder, ihn selbst dagegen nur wenige. Das liegt daran, dass der eher bescheiden auftretende US-Songwriter und Komponist Jimmy Webb als echter Grandseigneur der amerikanischen Musikgeschichte gilt – gerade, so verrät er, schreibe er am Great American Songbook Teil II. Seine Ideen und sein Song-Material hat er häufig anderen zur Verfügung gestellt, und es waren keine Unbekannten: Frank Sinatra, Barbra Streisand, Nina Simone oder Tony Bennett. Beim nachgeholten Auftritt – ein Epilog zum „Reflektor“-Festival von André Heller – gibt er aus seinem reichen Erfahrungs-, Begegnungs- und Anekdotenschatz allerlei zum Besten. Der Plauderanteil ist beinahe gleichauf mit der Musik. Die meisten im Saal saugen seine Sätze gierig auf, hängen gebannt an seinen Lippen. Einige wenige absentieren sich aber.

Jimmy Webb in der Elbphilharmonie: Er verhalf seinerzeit Art Garfunkel zum Comeback

Und wie er so an seiner Zeitzeugenschaft teilhaben lässt, steckt man mittendrin in der jüngeren Musikgeschichte. Wenn er etwa von der Begegnung mit Frank Sinatra erzählt, da war er gerade mal 19 Jahre alt („Die meisten Geschichten über ihn stimmen nicht“). Oder wie ihm das Motown-Label die Chance seiner ersten Album-Aufnahme gab. Eigentlich wollte er zu den Coolen, den Rock-‘n‘-Rollern dazugehören. Als Country-Musiker hat er sich nie gesehen. Der Traum erfüllte sich, als er Art Garfunkel nach einem Karriereknick mit „All I Know“ zum Comeback verhalf. Beim sonnig-leichtfüßigen „Up, Up and Away“, das wirklich jeder mitsingen kann und das er einst für die Band The 5th Dimension verfasste, lässt er die schlanken, langen Finger über die Tasten schweben.

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Anders als die seiner zahllosen Interpretinnen und Interpreten trägt seine eigene Stimme nicht sehr weit, das stört aber kaum, weil er seine ganze Seele und sein einzigartiges musikalisches Gespür hineinlegt. Auch in das bewegende „Do What You Gotta Do“, dem Nina Simone zum Hit verhalf – und das sich später Kanye West für seinen Hit „Famous“ aneignete –, eine legendäre Diss-Zeile über Taylor Swift inklusive.

Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie: Jimmy Webb entscheidet spontan, welches Lied er spielt

Zum Höhepunkt in epischer Länge gerät jedoch der Klassiker „MacArthur Park“, den der mit Webb befreundete Schauspieler Richard Harris einst sang. Da brennt das musikalische Pathos aus jedem Anschlag, der immer noch kraftvoll schwingt, bei den Akkorden wie bei den Läufen, die Webb immer wieder souverän harmonisch zu brechen weiß.

Jimmy Webb bei seinem Hamburg-Konzert im Kleinen Saal der Elbphilharmonie.
Jimmy Webb bei seinem Hamburg-Konzert im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. © Sebastian Madej | Sebastian Madej

Wie es weitergeht, entscheidet er mitunter spontan. Deutet ein paar Takte an und sucht tastend nach der richtigen Harmonie. Es wird die Melodie „That’s All I’ve Got to Say“ aus dem Film „Das letzte Einhorn“ gegeben. Als Zugabe gibt’s den Klassiker „By the Time I Get to Phoenix“, bevor er sich vom frenetisch applaudierenden Saal verabschiedet. Eine echte Legende. Schön, dass er da war.