Hamburg. Süße Melancholie und starke Intensität: Die portugiesische Fado-Musikerin Mariza verzauberte ihr Publikum in der Laeiszhalle.
Wer einige Takte portugiesische Gitarre hört, vielleicht noch ein Akkordeon dazu, darüber die expressive Stimme der Sängerin Mariza, der reist in Gedanken sofort weit weg, sieht die schiefwinkligen Straßen der portugiesischen Hauptstadt Lissabon vor sich, erinnert sich an die Fahrt mit der Straßenbahn über die Hügel, denkt ans Meer – und natürlich an die Tavernen und den wundervollen Gesang.
Die Fado-Sängerin Mariza kann in Hamburg seit Langem auf eine Fangemeinde bauen. Und die lässt sie auch bei ihrem gut besuchten Auftritt in der Laeiszhalle nicht im Stich. Ihr Glitzerkleid schimmert golden, der blonde Pixi sitzt akkurat. Mit ihrer Stimme öffnet Mariza sofort Welten – vor allem solche des Gefühls.
Ihre Tour steht unter dem Motto „Amor“ und umfasst Lieder aus ihrer gesamten Karriere, von „Há palavras que nos beijam“ bis zu „Amar-te“. Aber auch ältere Werke kommen zu Gehör, wie „Lágrima“, ein Lied der größten Fadista Amália Rodrigues. Oder ganz pur, mit überragender Stimmpräsenz ihr Hit „Chuva“. Mariza lässt ihre Stimme schweben und in den typisch wehmütigen Melodielinien jubilieren. Eine süße Melancholie durchzieht sie, eine starke Intensität – aber zugleich auch eine positive Energie. Selten hat die Laeiszhalle wohl ein so hoch konzentriertes Publikum erlebt.
Laeiszhalle: Mariza und der Fado, das ist eine Liebe fürs Leben
Mariza, als Tochter eines Portugiesen und einer Mosambikanerin auf der Flucht vor dem Krieg in Mosambik im Alter von drei Jahren nach Portugal gekommen, entdeckte die Musik des Fado in Lissabons Viertel Mouraria als junges Mädchen für sich. Sie wurde identitätsstiftend und machte Mariza zum Star, der diese traditionsreiche – eine Zeitlang auch totgesagte – Kunst mit zeitgemäßen Arrangements und viel Ausdruck neu belebte.
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Heute will die 50-Jährige nicht nur gehört, sie will auch verstanden werden. Und darum nimmt sie sich zwischen den Liedern viel Zeit und erzählt. Von ihrem Vater, von ihren ersten Auftritten auf Hochzeiten und Scheidungen („Die waren oft besonders fröhlich“), von Außenseitertum und einem Nervenzusammenbruch, aber auch von Selbstfindung in der Musik und in der Liebe.
Mariza in Hamburg: Ein „Angriff“ auf Cristiano Ronaldo
Mariza dominiert den Saal ganz mit ihrer facettenreichen Stimme, zur Seite stehen ihr fünf bestens eingespielte Musiker an Akustikgitarre, portugiesischer Gitarre, Bassgitarre, Perkussion und Akkordeon, die auf einen Wimpernschlag von ihr zu reagieren scheinen.
Immer stärker wandelt sich das Konzert zum Familienereignis, erst recht, wenn das Publikum mitsingen soll – und zuerst den richtigen Einsatz und den Lautstärkeknopf nicht findet. Also wird dreimal geprobt, bis alles sitzt. Am Ende gelingt es und landet womöglich auf ihrem Instagram-Account. Dort, so sagt Mariza, will sie – „Neben Herrn Ronaldo“ – die meisten Follower in Portugal auf sich vereinen. Es könnte ihr gelingen.