Hamburg. Die Ausstellung „Passage“ von Ashley Hans Scheirl & Jakob Lena Knebl spielt mit Identitäten. Das funktioniert klasse und macht Spaß.
Die Sisters of Mercy haben schon bessere Tage gesehen. Nur dass auf dem großformatigen Promobild gar nicht die britischen Gothic-Rocker Patricia Morrison und Andrew Eldritch zu sehen sind, sondern Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, verkleidet stilecht mit schwarzem Wallekleid, Sonnenbrille und weit aufgeknöpftem Hemd. Das Foto ist ein Spiel mit Identitäten, das die gesamte Ausstellung „Passage“ in der Harburger Sammlung Falckenberg durchzieht.
Dieses Vermischung von Pop und Kunst spielten Knebl und Scheirl schon einmal, bei ihrer Ausstellung „Doppelganger!“ vor einem Jahr im Pariser Palais de Tokyo. In einem Video tanzte das Wiener Künstlerpaar dort zum mehrfach durch die Ironiemühle gedrehten Wavepop von Les Rita Mitsouko, und weil „Passage“ als eine Art Dopplung von „Doppelganger!“ angelegt ist, taucht dieses Video auch hier wieder auf. Nur dass die beiden jetzt zu den Sisters of Mercy tanzen – weil Sänger Eldritch einst in Hamburg lebte. So funktioniert die Kunst von Knebl und Scheirl: Elemente werden von Punkt A nach Punkt B übertragen, und während dieser Übertragung machen sie eine leichte Veränderung durch. Vom Pop zur Hochkultur, von Paris nach Hamburg, von der Skulptur zur Malerei zum Film führen diese „Passagen“, alles im Fluss, alles im stetigen Übergang.
Sammlung Falckenberg in Harburg: Hier wird es gruselig, lustig und sexy
Der Begriff der „Passage“ beschreibt diesen Übergang. Und er schlägt die Brücke zur Vorsilbe „trans-“, die einerseits die Verortung des Duos innerhalb der Transmedialen Kunst anspricht, andererseits die queere Sexualität des Paares. Der „Doppelgänger“, den Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow als Schauerfigur aus der Schwarzen Romantik beschreibt, ist in der Kunst von Knebl und Scheirl eine positiv besetzte Figur, er symbolisiert, so Knebl, die „Hoffnung, dass Identität veränderbar ist“. Interessant, wie die Auflösung von Identitäten bei den einen Ängste hervorrufen kann, bei den anderen Hoffnung. Und für beide Empfindungen gibt es gute Gründe.
Wobei diese Empfindungen in „Passage“ alle ihren Ort haben dürfen. Die Schau ist gleichzeitig gruselig, hochästhetisch, lustig und sexy – in ihren besten Momenten alles gleichzeitig. Es gibt „Fountains“, Badezimerinstallationen, die einerseits diskreten Luxus versprühen und andererseits an ejakulierende Penisse und milchsatte Brüste erinnern. Es gibt die Spiegel-Skulptur-Arrangements „Arbapapa“, die den Zuschauer zwischen die (ebenfalls halb queeren, halb fluiden) Trickfilmfiguren „Barbapapa“ stellen. Und es gibt das „Birkenzimmer“, in dem sich Knebl ganz ernsthaft mit der DDR-Spielzeugdesignerin Renate Müller auseinandersetzt.
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„Passage“, das bezieht sich auf der einen Seite auf Walter Benjamins Kapitalismus-Analyse „Passagen“. Auf der anderen Seite denken Knebl und Scheirl hier auch an Architektur, an die berühmten Einkaufspassagen in Paris (oder in Hamburg), die im 19. Jahrhundert zur Bühne einer (meist weiblichen) Konsumkultur wurden. Und Scheirl, ursprünglich vom Film kommend, beschreibt, wie der Blick innerhalb einer Passage mobil wurde, ähnlich dem Blick im Kino. Verweise überall, aber es sind keine Besserwisser-Verweise, sondern welche, die mit Lust und Spass zu tun haben. „Begehrensräume“ nennt das Duo seine Installationen, Räume, in denen man das eigene Begehren erfahren kann.
Knebl und Scheirl sind überraschend zu Stars in der Kunstszene geworden, „Passage“ in der Sammlung Falckenberg ist ihre erste große Einzelausstellung in Deutschland. Im Hauptberuf lehren beide aber in Wien – weswegen sie ihre Ausstellung auch noch für insgesamt 40 Kunststudierende aus Wien und Hamburg öffnen. Da zerfasert die Präsentation ein bisschen, das ist aber egal, weil: Die Kunst in „Passage“ mag humor- und lustvoll sein, das heißt aber nicht, dass man nicht subversiv noch ein bisschen die Möglichkeiten ausnutzen sollte, die einem die Institution bietet.
Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl: Passage bis 15. September, Sammlung Falckenberg, Wilstorfer Str. 71, Tor 2, www.deichtorhallen.de