Hamburg. Faszination Maske: „Persona“, eines der letzten Projekte des Sammlers, mischt Greg Gormans Fotografien mit afrikanischer Kunst.

Das Empfinden, das sich beim Betreten der Galerie Melbye-Konan am Mittelweg 169 einstellt, ist gut kalkulierte Überraschung: Inmitten der Harvestehuder Villen und Boutiquen erwartet man eher eine gediegene Salonatmosphäre als eine schmucklose 400 Quadratmeter große Halle mit viel Grau. Und doch entfaltet sie Eleganz; das Schmucklose entpuppt sich als ein pures Ambiente, in dem die wenigen großformatigen Bilder sofort ins Auge springen.

Hinten ist eine kleine Bar eingerichtet, Treppen führen in ein offenes Büro, an einem großen Tisch empfängt Galeristin Stella Melbye-Konan ihre Gäste. Und über allem funkelt eine riesige, halb in die Decke gelassene Discokugel. Gut vorstellbar, dass sich Harald Falckenberg hier gleich sehr wohlgefühlt hat. Der Kunstsammler, der Herr über fünf riesige Fabriketagen in Harburg, gefüllt mit Kunst, war. Bis er im vergangenen November mit 80 Jahren starb. Die Ausstellung „Persona“, die gerade eröffnet hat, ist eines seiner letzten Projekte gewesen. Er hat sie zusammen mit der Galeristin Stella Melbye-Konan kuratiert.

Faszination Masken – die letzte von Harald Falckenberg kuratierte Ausstellung

Eines Tages im Herbst 2022, so erinnert sich die Galeristin, stand das Ehepaar Falckenberg bei ihr vor der Tür. „Sie wollten sich meine Galerie mal ansehen.“ Die war gerade vom Jungfernstieg in den Mittelweg gezogen. Galeristin und Sammler hatten sich kurz zuvor im Auktionshaus Sotheby‘s gegenüber kennengelernt. Man kam ins Gespräch über kommende Projekte und den Schwerpunkt der Galerie: zeitgenössische afrikanische sowie europäische Kunst.

Ein Zufall, dass im falckenbergschen Philo Fine Arts Verlag gerade der Bildband „Homage“ erschienen war, der sich mit Masken auseinandersetzt – auch in der afrikanischen Kultur ein zentrales Thema. Der renommierte US-Fotograf Greg Gorman (75), berühmt für seine Porträts von Hollywood-Größen wie Jodie Foster, Leonardo DiCaprio oder Robert De Niro, konnte während der Corona-Pandemie keine Menschen fotografieren.

Besucherin der Ausstellung „Persona“ vor drei Bildern des US-Fotografen Greg Gorman, der seine afrikanischen Masken und Skulpturen wie Porträts inszeniert.
Besucherin der Ausstellung „Persona“ vor drei Bildern des US-Fotografen Greg Gorman, der seine afrikanischen Masken und Skulpturen wie Porträts inszeniert. © Galerie Melbye-Konan | Galerie Melbye-Konan

Als Alternative setzte er seine umfassende Sammlung afrikanischer Masken und Skulpturen, die er auf Reisen, aber auch häufig in Harrys Hamburger Hafenbasar erstanden hatte, in Szene. Und zwar so perfekt ausgeleuchtet wie bei seinen Starporträts, in denen er stets die Persönlichkeit herauszuarbeiten versucht.

Larissa Falckenberg hat die Sammlung 24 Jahre betreut und weiterentwickelt

„Harald war sehr fasziniert von Gregs Arbeiten“, erzählt dessen Witwe Larissa Falckenberg bei einem Treffen in der Galerie. Die Amerikanistin hat die bedeutende Sammlung Falckenberg, die bis 2032 als Dauerleihgabe in den Deichtorhallen ist, zusammen mit ihrem Mann 24 Jahre lang betreut und entwickelt.

Nun unterstützt und begleitet sie anstehende Projekte auch weiterhin. 2023 gab es eine Schau in der Lübecker St.-Petri-Kirche. Für dieses Jahr ist eine Ausstellung zu Ehren des Sammlers in der Villa Schöningen in Potsdam geplant, initiiert von Verleger Mathias Döpfner.

Ein großformatiges Bild des ivorischen Künstlers Yeanzi, der seine Motive mit erhitztem Kunststoff auf die Leinwand tropft.
Ein großformatiges Bild des ivorischen Künstlers Yeanzi, der seine Motive mit erhitztem Kunststoff auf die Leinwand tropft. © Galerie Melbye-Konan | Galerie Melbye-Konan

Es sei ihrem Mann immer darum gegangen, die eigene Sammlung durch Arbeiten anderer Künstlerinnen und Künstler in einen Dialog zu bringen, neue Impulse zu setzen und zu empfangen. „Nur die eigenen Werke zu zeigen, war nicht Haralds Interesse. Ich glaube, das langweilte ihn“, sagt Larissa Falckenberg lachend.

Und so entstand die Idee einer Gruppenausstellung bei Melbye-Konan unter dem Titel „Persona“, lateinisch für Maske. „Zusammen mit Harald Falckenberg habe ich Werke von Greg Gorman ausgewählt und mit Künstlern meiner Galerie gepaart, um einen erweiterten Blick auf die vielfältige künstlerische Praxis und die Rezeption traditioneller afrikanischer Masken durch zeitgenössische Künstler zu zeigen“, sagt Stella Melbye-Konan.

Mehr zum Thema

So finden die Collagen, die der Konzeptkünstler Gary Johns aus Fundstücken zusammensetzt und die als Bildhintergründe für Gormans Fotografien fungieren, ihre Entsprechung in der Stilistik des international arbeitenden Künstlers Yannick Ackah von der Elfenbeinküste. In seinen kraftvollen Kompositionen aus Malerei, Illustration, ausgerissenen Zeitungsausschnitten und Werbeanzeigen spiegelt er die popkulturell geprägte Szene seiner Heimat. Seine organischen Formen erinnern Stella Melbye-Konan an Pablo Picassos berühmtes Werk „Guernica“.

Fotografisches Projekt ist Rückbesinnung auf die Ideale freier Kunst

In den Bildern des Neoexpressionisten Ngoye sind Masken ganz deutlich zu erkennen; er hinterfragt damit Themen der Identitätsbildung und der inneren Zustände. Bei Yeanzi, der schon auf der Biennale in Venedig ausgestellt hat, ist es durch eine sehr spezielle Technik eher ein Entdecken der Person. Und zwar tropft der Künstler zuvor erhitzten Kunststoff aus einer Entfernung auf die am Boden liegende, mit Baumwolle bespannte Leinwand. Je weiter man sich vom fertigen Bild entfernt, desto mehr setzt das Auge die verschiedenen Tropfen zu einer Figur zusammen.

„Afrikanische Stammeskunst lebt – nicht nur als Gegenstand einer verblassenden Erinnerungskultur und postkolonialer Debatten“, hatte der Kunstmäzen in seinem Buchbeitrag geschrieben. Das Masken-Projekt sei für Gorman und Johns „eine Art Befreiungsschlag und Rückbesinnung auf die Ideale freier Kunst“. Ein mutiges Statement in Zeiten, in denen Provenienzforschung und Restitution den Kulturdiskurs bestimmen. Ein typischer Falckenberg eben.

„Persona“ bis 25.5., Galerie Melbye-Konan (Bus Fontenay), Mittelweg 169, geöffnet nach Vereinbarung, Eintritt frei; melbye-konan.com. Führung 27.3., 18.00, Anmeldung unter info@melbye-konan.com