Hamburg. Der polnische Countertenor Jakub Józef Orliński reißt das Publikum im ausverkauften Großen Haus zu Begeisterungsstürmen hin.

Einen ausverkauften Liederabend hat die Hamburgische Staatsoper bei ihrer Reihe „The Art of …“ lange nicht mehr erlebt. Geschafft hat das jetzt der polnische Countertenor Jakub Józef Orliński, einer der, wenn nicht der Shootingstar überhaupt der internationalen Gesangsszene. Und das mit einem Repertoire, das den wenigsten Besuchern vertraut gewesen sein dürfte.

Der Countertenor Jakub Józef Orliński verzaubert in der Staatsoper, eine Akrobatik-Einlage gibt‘s dazu

Mieczysław Karłowicz, Henryk Czyż? Schon mal gehört? Zwei polnische Romantiker, auch Czyż, der erst 2003 starb. Moniuszko dürfte bekannter sein. Aber selbst Händels „Halleluja“ – ein anderes als das berühmte aus dem „Messias“ – war eine Rarität, ebenso fast alle der vier Purcell-Songs, darunter eines mit dem Titel „Strike the Viol“ (Streich die Gambe).

Jakub Józef Orliński verzaubert einfach, weil er ein durch und durch authentischer Künstler ist. Er liebt, was er macht. Das vermittelte sich in jeder Sekunde dieses Ausnahme-Recitals. Begierig, dem Publikum die Schönheit ihrer Musik nahezubringen, kamen Jakub Józef Orliński und sein phänomenaler Klavierpartner Michał Biel (fast) auf die Bühne gestürmt. Sie wurden gleich so gefeiert, als ob es schon das Ende des Konzertes wäre. Aber dann Konzentration auf den Punkt. Mit faszinierenden Pianissimo-Farben gestaltete Michał Biel das ebenfalls unbekannte „Non t’amo per il ciel“ (Ich liebe dich nicht um des Himmels Willen) von Johann Joseph Fux. 17. Jahrhundert!

Orliński packt sofort mit seiner unwiderstehlichen Intensität, seinem so voll und rund geführten Countertenor. Makellose Registerwechsel, ein schillerndes Farbspektrum, klarste Aussprache. Niemals wirkt seine Stimme angestrengt, etwas, das bei manchem, auch namhaftem Countertenor-Kollegen schon vorkommt. Bei den polnischen Komponisten lässt Orlińskis Ausdrucksauthentizität vergessen, dass diese Lieder ursprünglich nicht für Falsett singende Männer geschrieben wurden.

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Bei Purcells „Cold Song“ (Der Frost) bekommt man eine Gänsehaut. Und als Orliński – der auch Breakdancer ist – dann Purcells tänzelndes „Strike the viol“ als eine seiner fünf Zugaben wiederholt und dazu akrobatisch ein Rad auf der Bühne schlägt, gibt es im Saal kein Halten mehr. Standing Ovations für zwei große Musiker.