Hamburg. Bei der „Marienvesper“ wurde manch klangliche Chance verschenkt. Dass es auch anders geht, zeigte der zweite Teil des Konzerts.
Dass nicht nur das neunköpfige Sängerensemble, sondern auch die Musikerinnen und Musiker vom Ensemble Delectus Cantionum und Les Cornets Noir bei der Aufführung von Claudio Monteverdis „Marienvesper“ in der Laeiszhalle ständig hin- und herwanderten und sich neu gruppieren mussten, war für dieses revolutionäre Werk zwischen Renaissance und Frühbarock nun einmal unverzichtbar. Schließlich ist die Laeiszhalle ja nicht mit dem Markusdom in Venedig vergleichbar, für den Monteverdi die genialen Raumwirkungen seiner Wechsel- und Echogesänge von weit voneinander entfernten Emporen zu Beginn des 17. Jahrhunderts einst konzipiert hatte.
Laeiszhalle: Bei Monteverdis „Marienvesper“ wandern die Ensembles umher
So entwich dann mal ein Bläser der historischen, mit schwarzem Leder umwickelten Zink, die Les Cornets Noir den Ensemblenamen verliehen hat, hinter die Bühne, um die Fernwirkungen im Magnificat zu ersetzen. Oder im Concerto „Audio coelum …“ wiederholte eine Fernstimme mit vielen verzierenden Melismen eine Silbe oder einen Namen der letzten gesungenen Phrase. Beim Psalmus 126 „Nisi Dominus aedificaverit domum“ stellte sich ein Posaunist kurzerhand direkt neben die Sopranistin Veronika Mair, den Bassbariton Wolf Matthias Friedrich und den Tenor Benedict Hymas.
Ein bisschen schade war es aber doch, dass die Tempi oft gar zu breit genommen und viele von Monteverdi, dem frühen Schöpfer der Operngattung, durchaus beabsichtigte dramatische Wirkungen verschenkt wurden. Erst recht im Responsorium zu Beginn, wo Zinken und Posaunen gleich ihren vollen Glanz entfalten sollten, war die Dynamik zu schwach.
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Dass das auch anders geht, zeigten die Ensembles später beim fast springend fröhlichen, strömenden Psalmus 147 „Lauda Jerusalem Dominum“. Längere rein instrumentale Passagen voller Virtuosität, die fast tänzerisch waren, begleiteten die Sonata sopra „Santa Maria“. Im Concerto „Pulchra es …“ mit den beiden wunderbar singenden Sopranistinnen Kristen Witmer und Veronika Mair illustrierten hart angeschlagene Akkorde der von Matthias Spaeter gespielten Erzlaute die beschriebenen Schrecken einer Armee. Auch der Organist Johannes Strobl und Matthias Müller an der Violone waren etwa zu Beginn des Psalmus 121 solistisch Teil einer Klangfarbenpracht, die mit den historischen Instrumenten und den exquisiten Stimmen einfach zum Erlebnis wurde.