Hamburg. Mensch, wo habt ihr die Sonne gelassen: Das Brooklyner Quartett präsentierte neue, dunkle Songs. Nächstes Mal mehr Melodien, bitte.
Wenn man das richtig verstand, war Zachary Cole Smith nicht gesund. Führte er da tatsächlich das Wort „Pneumonia“ im Munde? Wenn’s so war, ein Auftritt mit Lungenentzündung im Hamburger Mojo Club: Dann müsste man anerkennen, dass hier einer alles gibt für den Rock. Smiths Band DIIV ist sehr toll, wir kennen sie seit dem fantastischen, 2012 erschienenen Album „Oshin“. Damals etablierte sich die Band aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn als große Indiehoffnung mit Jingle-Jangle-Gitarren und Krautrock-Ambitionen. „Follow“ war der erhebendste und hellste Gitarren-Hit der Stunde – für Eingeweihte.
Nun, Nirvana-Fan Smith schickte im Laufe der Jahre die schimmernden Gitarrenlinien in den Orbit und verpasste dem Sound DIIVs eine mitunter stoisch (lahmarschig?) schmirgelnde Erdenschwere. Ein heftiger Schritt, der 2019 mit dem Album „Deceiver“ vollzogen wurde und sich, das bewiesen die neuen Stücke, die im vollen Mojo gespielt wurden, auf dem im Mai erscheinenden neuen Album „Frog In Boiling Water“ weiter exekutiert wird. Dräuende Schlepprhythmen und lyrische Dunkelheit wie bei „Brown Paper Bag“ („My home in flames/The past erased/I‘ll embrace my mistakes/On some other day“) dröhnten herrlich schwerfällig durch den Club auf St. Pauli.
DIIV in Hamburg: Mit Trump vor dem Tor zur Hölle?
Passt ja in Amerikas nur allzu gut mögliche nahe Zukunftsperspektive mit Trump, der um die Tore zur Hölle wieder zu öffnen bereitsteht. Thematisch ironisiert DIIV, das zeigen die neuen Videoclips der Band und die Einspieler auf der Leinwand, die digitalen Lebenshilfe-Versprechen für den Realitäts-geplagten modernen Menschen. Und ohne den Überbau war es aber so, dass erst die Songs der ersten beiden Alben, also „Under The Sun“, das grandiose „Take Your Time“, „Incarnate Devil“ und „Air Conditioning“ für ordentlich Bewegung im Publikum sorgten, also die richtige musikalische Behandlung an einem kalten Märzabend auf der Reeperbahn waren.
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Das jüngere „Blankenship“ hat freilich auch seine Fans, ganz einfach, weil die Nummer als Rocksong alles hat, was ein solcher braucht. Die psychedelischen „Acheron“ und „Horsehead“ brachten die Neunziger zurück, aber man hätte, bevor dann endlich „Doused“ kam, doch viel lieber noch „How Long Have You Known“, „Dopamine“ oder „Healthy Moon“ gehört. DIIV sind am besten in ihren Gitarren-getriebenen Melodien.
DIIV aus Brooklyn, New York: Unbestechliche Sound-Vision
„Wir sagen keine Shows mehr ab“, rief der Bassgitarrist mit dem wunderbaren Namen Colin Caulfield dem Publikum mit Blick auf den nicht ganz fitten Zachary Cole Smith zu. Dessen Drogenvergangenheit ist lange her und seine musikalische Vision unbestechlich. DIIV ziehen ihr Ding durch, manchmal leuchten die Gitarren (der zweite Gitarrist Andrew Bailey ist eine Schau), manchmal schrammeln sie in dunklen Verließen.