Hamburg. Alban Bergs „Lyrische Suite“ bleibt erdenschwer beim Philharmonischen Kammerkonzert, aber danach gibt’s süffig-orchestralen Arensky.

Für bekennende Kammermusik-Fans muss es das Paradies sein, einem Pool anzugehören, der regelmäßig eine traditionsreiche Kammerkonzertreihe bestückt. Philharmonisches Staatsorchester heißt dieser vornehme Pool. In immer neuen Konstellationen finden sich die Mitglieder zusammen und bringen im Kleinen Saal der Elbphilharmonie Fundstücke und Kostbarkeiten des unermesslich reichen Repertoires zu Gehör.

Es hat seinen eigenen Reiz, dass gerade keine festen Ensembles spielen. Und sein eigenes Risiko. Alban Bergs Streichquartett „Lyrische Suite“ jedenfalls hebt im 5. Philharmonischen Kammerkonzert nicht so richtig ab. Es ist aber auch ein Brocken. Berg war zwar der Romantiker unter den Zwölftönern um Arnold Schönberg, und das hört man auch bei der „Lyrischen Suite“: Mit dem Werk hat der Komponist in den Jahren 1925/26 seiner großen und heimlichen Liebe zu Hanna Fuchs ein klingendes Denkmal gesetzt. Ihrer beider Namensinitialen übersetzt er in Töne und bringt andere verschlüsselte Botschaften, immer wieder wehen Melodien hindurch, oder die Musik schwingt im Walzertakt.

Elbphilharmonie: Bergs heimliche Liebeserklärung hebt nicht ab, der süffige Arensky umso mehr

Aber die Machart ist hochkomplex. Alle Stimmen sind gleichberechtigt, ständig führt jemand anderes, ständig fällt jemand den anderen ins Wort. Das sauber zusammenzubringen, ist harte Arbeit. Das sieht man an diesem Sonntagmorgen an den Bewegungen des ersten Geigers Konradin Seitzer, der seinen Hauptjob als 1. Konzertmeister des Orchesters nicht verleugnen kann. Es kommt viel Vertikales hinein dadurch, die Musik gerät nicht ins Fließen, und einige Einsätze klappern.

Auch behandeln die vier ihre Instrumente sehr unterschiedlich. Einzelne Stellen klingen aber flirrend-duftig und überaus farbig. Die größte Intensität stellt sich im letzten Satz mit der herzzerreißenden Bezeichnung „Largo desolato“ ein. Am Schluss bleibt die Bratsche übrig, immer leiser murmelnd und im Nichts verebbend.

Elbphilharmonie: Wer braucht zwei Geigen, wenn ein Konradin Seitzer dabei ist

Wie anspruchsvoll das Werk ist, zeigt sich nach der Pause noch einmal rückblickend. Das Streichquartett Nr. 2 a-Moll von Anton Arensky klingt süffig-orchestral. Arensky schrieb es im Andenken an Peter Tschaikowsky und nahm sich die Freiheit, die klassische Quartettbesetzung abzuändern. Statt zwei Geigen sind zwei Celli dabei. Und was soll man sagen, der dunkle Ensembleklang spült einen umstandslos weg. Wer braucht schon zwei Geigen, wenn ein Konradin Seitzer dabei ist, der all die Doppelgriffe lässig aus dem Ärmel schüttelt? Auch klanglich hat er sich freigespielt.

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Respekt für diese Arbeit, Respekt für die Risikobereitschaft. Nur durch sie wird Musik zu etwas, das uns berührt.