Hamburg. Hamburger Moderator ist nun auch Aktivist: Fast drei Jahre drehte er Langzeit-Doku „Time to say goodbye“ – für mehr als 100.000 Dollar.

Er ist ein weit gereister Mann, und das meist berufsbedingt. Zum Ende des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrtausends hat Michel Abdollahi, 1981 in Teheran geboren und seit Mitte der 80er in Hamburg zu Hause, einmal fast vier Jahre lang in neun verschiedenen Ländern recherchiert. Das Ergebnis war seine Langzeit-Dokumentation „Planet ohne Affen“, ausgestrahlt 2021 in der ARD-Reihe „Erlebnis Erde“ zur besten Sendezeit im Abendprogramm. Der bei zwei US-Festivals ausgezeichnete Film von ihm und Regisseur Felix Meschede zeigte ein erschütterndes Bild des globalen illegalen Tierhandels und seiner skrupellosen Hintermänner.

Nun hat Abdollahi einen neuen Film fertiggestellt. An dem hat der Hamburger TV-Journalist diesmal knapp drei Jahre lang gedreht. Ursprünglich war er mal als Doku über die legale Eisbärenjagd geplant. „Alles selbst finanziert“, sagt Abdollahi über den Fünfteiler, der zunächst kostenlos bei YouTube auf dem Kanal truth.unscripted zu sehen ist. Der Journalist hat die Dokumentation mit einem Team von rund 20 Leuten seiner Produktionsfirma Telemichel, überwiegend Menschen der „Generation Z“, zudem selbst produziert. „Time to say goodbye“ lautet, in Anlehnung an das schwülstige, fast 30 Jahre alte Abschiedsduett von Andrea Bocelli und Sarah Brightman, der Titel des Films.

Klima-Dokumentation: Michel Abdollahis bewegende Eisbärenjagd bis zum Nordpol

Abdollahi, bekannt als Moderator des unkonventionellen mitternächtlichen NDR-Talks „Käpt’ns Dinner“ mit nur einem Gast im U-Boot am Altonaer Fischmarkt, war diesmal aber nicht nur als investigativer Reporter in der nördlichen Hemisphäre unterwegs. „Nach dem ‚Planet ohne Affen‘ habe ich gemerkt, dass die Geschichte zwar gut war, und viele wollten damals sofort etwas gegen den illegalen Affenhandel tun“, erzählt Abdollahi. Seine Arbeit sei eigentlich abgeschlossen gewesen. Doch es kamen so viele Anfragen mit dem Tenor: „Wie können wir helfen?“ Und so ist der Träger des Deutschen Fernsehpreises, 2016 für seine Reportage „Im Nazidorf“ und seine Straßenaktionen im NDR-„Kulturjournal“ ausgezeichnet, für „Time to say goodbye“ länger als geplant (wegen Corona-Unterbrechungen) erstmals auch Aktivist gewesen. Sagt der Journalist Abdollahi.

Mit einer kleinen Maschine ließ sich der Hamburger Journalist Michel Abdollahi von Ottawa über den Polarkreis für die Eisbärenjagd zur nördlichsten Siedlung der Welt fliegen.
Mit einer kleinen Maschine ließ sich der Hamburger Journalist Michel Abdollahi von Ottawa über den Polarkreis für die Eisbärenjagd zur nördlichsten Siedlung der Welt fliegen. © Telemichel TV | Telemichel TV

Entstanden sei so „ein Roadtrip zum Nordpol, eine Doku über Artensterben und Klimawandel“, fasst Abdollahi seine erneute Langzeitarbeit zusammen. Insgesamt rund 100.000 Dollar hat er sich die Teilnahme an der legalen Eisbärenjagd kosten lassen. Diese werde von der kanadischen Regierung toleriert, auch um den Inuit und ihren Gemeinden Einnahmen zu sichern.

Wie bei „Rambo II“: Um als Jäger durchzugehen, legt sich Adbdollahi einen Compound-Bogen zu

Die vor Ort Betroffenen wollten sich im Bild und mit O-Ton jedoch kaum äußern, haben Abdollahi und Kameramann Jan Vogt festgestellt. Der begleitet seinen Chef sowohl zur Eisbären-Safari (für 50.000 Euro) nach Churchill, der sogenannten „Eisbären-Hauptstadt der Welt“ an der Südwestküste der Hudson Bay, als auch nach Grise Fiord, der nördlichsten bewohnten Siedlung der Erde auf Ellesmere Island, dort bei „nur“ minus 30 Grad. Es fällt an der Hudson Bay viel mehr Regen denn Schnee als früher, und in Grise Fiord fahren die Einheimischen noch im Oktober in Booten im Wasser, wo zehn Jahre zuvor noch Eis lag. Der Lebensraum der Eisbären, er schmilzt. „Ich will was verändern, denn das Eis brach mir unter den Füßen weg“, sagt Abdollahi.

Bei Besuchen auf einer Jagdmesse in Salt Lake Cty (USA) und im kanadischen Vancouver hat er erfahren, dass Lizenzen für die Eisbärenjagd leicht zu ersteigern oder einfach legal zu kaufen sind. Und das, obwohl die Tiere doch vom Aussterben bedroht sein sollen. Um überhaupt als Jäger durchzugehen, legt sich Abdollahi, der nicht mal ein Gewehr besitzt, in einem Spezialgeschäft in San Diego (USA) einen Compound-Bogen à la „Rambo II“ zu. Bloß nicht auffallen, lautet die Devise.

Spektakuläre Doku: Verschwindet die Arktis, geht die Klimaanlage der Welt aus

Die Zweifel bleiben. Abdollahi fragt sich, was seine einheimischen Führer eigentlich von dem Geld bekommen. Er sei das Problem, nicht die Jäger, welche die Jagd ermöglichen, konstatiert der Fakten-Jäger Abdollahi. Global gesprochen: „Wenn die Arktis verschwunden ist, geht die Klimaanlage der Welt irgendwann aus. Es schlägt gerade zwölf.“ Noch hat Abdollahi die Hoffnung nicht aufgegeben. „Wenn wir die Eisbären retten, retten wir uns“, lautet seine Schlussfolgerung.

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Deshalb will er mit seinem vorfinanzierten Film „Time to say goodbye“ auch weltweit Spenden sammeln (unter www.truth-unscripted.de). Bisher seien ein paar Tausend Euro zusammengekommen. Abdollahis Ziel sind mehrere Hunderttausend, möglichst sogar eine Million Euro. Das Geld soll zu je einem Viertel an Fridays for Future Germany, das Jane Goodall Institute Germany, Berlin World Wide und an die Telemichel Stiftung fließen.

„NDR Talk Show“ u. a. mit Gast Michel Abdollahi, Fr, 22 Uhr, NDR Fernsehen