Hamburg. Das Blue-Note-Label legt nicht nur Jazzklassiker wieder auf, es gibt auch jede Menge unbedingt hörenswerte Alben aktueller Künstler.

„Früher war alles besser“. Für Jazzfans ist es derzeit so leicht wie nie, sich in nostalgisches Schwärmen zu verlieren, tragen die Plattenfirmen doch gerade mächtig dazu bei, selig verklärt in die Vergangenheit zu blicken. Kein Monat, in dem nicht mindestens zwei Dutzend Klassiker und Raritäten aus den Katalogen legendärer Labels wie Impulse, Prestige, Pablo oder Riverside wiederveröffentlicht werden. Vor allem auf Vinyl in audiophiler Tonqualität, die häufig selbst die der sündhaft teuren Originale (bei 1000 Euro fängt der Spaß oft erst an) schlägt.

Schon im Frühling ist es da: Eines der Jazzalben des Jahres

Mit großen Schritten geht dabei das Blue-Note-Label voran, auf dem in den 60er-Jahren Stars wie Pianist Chick Corea, Trompeter Dexter Gordon und Saxofonist Wayne Shorter veröffentlichten - sogar John Coltrane brachte einst ein Album bei Blue Note heraus. In der Tone-Poet-Reihe erscheinen monatlich zwei High-End-Tonträger (Preis ca. 45 Euro), unter dem Signet Blue Note Classics kommen für vergleichsweise günstige ca. 25 Euro jeweils noch zwei Alben dazu.

Charles Lloyd: „The Sky Will Still Be There Tomorrow“
Charles Lloyd: „The Sky Will Still Be There Tomorrow“ © Blue Note | Blue Note

Da lässt sich schon mal vergessen, dass es auch ein ganz aktuelles Blue-Note-Programm mit großartigen lebenden Künstlern gibt, die munter Alben veröffentlichen und auf Tour gehen. Einer von ihnen ist Charles Lloyd, die inzwischen 86 Jahre alte Saxofonlegende, die mit „The Sky Will Still Be There Tomorrow“ ein vollkommen in sich ruhendes Meisterwerk des Spiritual Jazz abliefert. 90 Minuten, die mit ihrer poetischen Schönheit manchmal gar Tränen in die Augen treiben. Auch dank der herausragenden Quartettbesetzung mit Jason Moran (Piano), Brian Blade (Schlagzeug) und Larry Grenadier (Bass). Schon im Frühling eines der Jazzalben des Jahres.

Melissa Aldana: „The Solitary Seeker“.
Melissa Aldana: „The Solitary Seeker“. © Blue Note | Blue Note

Vergleichsweise am Anfang ihrer Karriere steht Melissa Aldana. Die Tenorsaxofonistin wurde für ihr Blue-Note-Debüt „12 Stars“ vor zwei Jahren gefeiert. Aber kann sie auch nachlegen? „The Solitary Seeker“ zeigt: Sie kann. Mit Lage Lund (Gitarre), Fabian Almazan (Piano), Pablo Menares (Bass) und Kush Abadey (Schlagzeug) ist ihr ein ungemein vielschichtiges Album gelungen, bei dem die Liebe zur Melodie auf große Improvisationslust trifft. Dabei schlägt die 35-jährige Chilenin immer wieder einen melancholisch-sehnsüchtigen Ton an – das Ergebnis ist geradezu kammermusikalischer Jazz, der große Kraft in sich trägt.

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Und dann ist da noch Joel Ross, ein weiterer Vertreter eher zarter Töne, der sich als Meister des Vibrafons auf „nublues“ neben zahlreichen Eigenkompositionen auch Klassiker von John Coltrane und Thelonious Monk vornimmt, unterstützt von einer hochkarätigen Band (Saxofonist Immanuel Wilkins, Pianist Jeremy Corren, Bassist Kanoa Mendenhall, Schlagzeuger Jeremy Dutton). Auch er ein Beispiel für den aktuellen Blue-Note-Sound, der einem Label mit großer Vergangenheit eine große Zukunft garantiert.