Hamburg. Warum Österreichs Top-Kabarettist fast Dauergast in der Stadt ist. Sein zweiter Kinofilm startet, Mitte April spielt er in der Fabrik.
Der Mann ist viel herumgekommen, typisch für einen (Gesamt-)Künstler. Geboren in einem Dorf in Oberösterreich, aufgewachsen in Niederösterreich, ansässig in Wien, zieht es Josef Hader seit mehr als 30 Jahren immer wieder nach Hamburg. Jüngst hat der 62-Jährige an einem Tag gleich drei Hamburger Kinos besucht, um seinen neuen Film „Andrea lässt sich scheiden“ in der Koralle in Volksdorf, im Zeise in Ottensen und im Passage in der Altstadt zu präsentieren. Hader ist nun Regisseur, Drehbuchautor und männlicher Hauptdarsteller in Personalunion; er gibt einen Religionslehrer und Ex-Alkoholiker aus der Provinz. Der nimmt nach einem Autounfall mit Fahrerflucht die Schuld auf sich, obwohl eine Polizistin namens Andrea (gespielt von der österreichischen Star-Schauspielerin Birgit Minichmayr) ihren Noch-Ehemann überfahren hat.
Mitte April kommt der Schauspieler mit seinem Kabarett-Solo „Hader On Ice“ auch in die Fabrik nach Ottensen. Zwischen dem hanseatischen Kino-Triple und Begegnungen mit alten Freunden wie Zeise-Geschäftsführer Matthias Elwardt, Ulrich Waller (künstlerischer Leiter St. Pauli Theater) und Satiriker Henning Venske (85, früher Autor und Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft) nahm sich Austrias populärster Kabarettist in den Zeise-Hallen Zeit für ein Interview mit dem Abendblatt.
Filmregisseur und Kabarettist Josef Hader in Hamburg: „Provinz ist etwas Internationales“
Hamburger Abendblatt: Als wir 2018 im Hotel Hafen Hamburg über den Film „Arthur & Claire“ sprachen, in dem Sie „nur“ die männliche Hauptrolle spielten und mit dem Regisseur das Drehbuch geschrieben hatten, sagten Sie, die Hotels seien für Filmschaffende meist besser als die, die man als Kabarettist hat. Gilt das noch heute?
Josef Hader: Der Grund ist vielleicht, dass die Schauspieler, wenn sie für einen Film herumfahren, eigentlich nichts verdienen, und man versucht sie so zu belohnen. Während die Kabarettisten, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, gar nicht so schlecht verdienen. Da nehmen wir gerne schlechtere Hotels.
Das Touren als Filmschaffender schadet Ihnen offenbar nicht?
Schau‘n wir mal, es ist gerade schon sehr stressig. Kabarett-Termine macht man zwei Jahre vorher aus, da hat man schon einmal ein paar Termine pro Woche. Und dann kommt noch so ein Filmstart dazu: Das bedeutet, dass du an den spielfreien Tagen dann auf Film-Tour bist. Ich erhol mich sozusagen vom Kabarett während der Film-Tour und von der Film-Tour während des Kabaretts.
Von der Erholungstour noch mal zu Ihrem neuen Film: Wie lange hat es gedauert von der Idee bis zur Umsetzung?
Die Idee kam schon im Jahr vor Corona. Da wurde ich gebeten, ein Treatment zu schreiben, ganz schnell. Ich hab mich dann intuitiv entschieden, über etwas zu schreiben, womit ich mich gut auskenne, nämlich das Land, die österreichische Provinz, aus der ich stamme und in der ich die ersten 20 Jahre gelebt habe.
Oberösterreich?
Genau genommen an der Grenze von Oberösterreich zu Niederösterreich. Der nächste Gedanke war: Ein Film, der auf dem Land spielt, braucht eine starke Frau, die sich gegen die dort herrschende Männerwelt durchsetzt. Und da ist mir sofort Birgit Minichmayr eingefallen, wir hatten schon sehr gut bei „Der Knochenmann“ zusammengearbeitet. Mit ihr im Kopf habe ich dann die ersten Fassungen geschrieben, und nach fünf Fassungen habe ich gedacht, jetzt kann ich‘s der Birgit zeigen, jetzt ist es gut genug. Und dann hat sie Gott sei Dank Ja gesagt.
Und wie sind Sie an den auch in Deutschland gut bekannten Cast mit Robert Stadlober und Thomas Schubert gekommen, einfach so nach dem Motto: Kaum ruft der Hader an, sagen die Kollegen: ,Mit dem wollte ich schon immer mal‘ ...!?
So ein bisschen habe ich schon einen guten Ruf bei den Darstellenden. Weil bekannt ist, dass ich ein sehr schauspielfreundlicher Regisseur bin. Schauspieler und Schauspielerinnen sind die Einzigen, die man am Ende sieht im Film. Deshalb muss man sie sehr gut behandeln und ihnen alle Freiräume geben, die sie brauchen. Das betrifft eine gewisse Freiheit dem Drehbuch gegenüber und auch eine Freiheit gegenüber der Technik am Set. Ich hab dann während des Schreibens nach und nach den ganzen Haupt-Cast im Kopf gehabt, habe sie angerufen, und sie haben tatsächlich alle Ja gesagt. Das war ein großes Glück!
Aus dem Treatment ist nach „Wilde Maus“ (2017) nun Ihr zweiter Regie-Film entstanden. Man kann es erneut als Tragikomödie bezeichnen, oder?
Ich möchte mir selber gern eine gewisse künstlerische Fortentwicklung vortäuschen (er grinst schelmisch). Deswegen dachte ich, diesmal nimmst du das Genre Tragikomödie wirklich ernst. Also, ein Film, der zu 50 Prozent wirklich ein Drama ist und zur Hälfte eine Komödie. Und, so dachte ich, da wäre es ganz praktisch, wenn am Anfang gleich was Schlimmes passiert. Dann kann man schauen, welcher Humor sich dann entwickelt.
Und wie entspannt sind Sie jetzt, da „Andrea lässt sich scheiden“ bereits bei der Berlinale lief und nach den Erfahrungen mit dem Kino-Publikum?
Berlin ist ein gutes Publikum, speziell bei diesem Film über die österreichische Provinz hat das Berlinale-Publikum so gelacht, als wäre es ein Film aus Finnland. Mit englischen Untertiteln und über einen sehr fremden Volksstamm. In Österreich wurde auch gelacht, aber ein bisschen vorsichtiger, weil die Einschläge sozusagen näher waren. Ich bin sehr gespannt, wie es im Norden ist. Im Koralle-Kino in Volksdorf war ich nur die ersten zehn Minuten drin: Dort wurde mehr gelacht als bisher. Einfach, weil am Anfang zwei Polizisten an einer einsamen Straße auf einer Wiese rumstehen und auf Autos warten, die sie kontrollieren können. Das bestärkt meinen Verdacht, dass Provinz etwas Internationales ist. Vor allem diese Art von abgehängter Provinz, wo so mundfaule Menschen leben wie im östlichen Niederösterreich oder auch in Norddeutschland, die nicht besonders viel reden. Und wenn sie was reden, ist es meist ein bisschen direkter als in der Stadt.
Ihr jetziges Programm „Hader on Ice“ ist Ihr erstes Kabarett-Soloprogramm seit 14 Jahren. Warum dauerte diese Schaffenspause derart lange?
Ich habe in der Zeit viel gearbeitet an Drehbüchern, bei den Wolf-Haas-Verfilmungen und am Pathologen-Zweiteiler „Aufschneider“. Aber vor zwei Jahren hatte ich richtig Lust, eine Satire zu machen über diese komische Zeit, in der wir leben. Außer im St. Pauli Theater habe ich es inzwischen sogar im Deutschen Schauspielhaus spielen dürfen.
Zudem demnächst gleich zweimal in der Fabrik. Es macht aber einen Unterschied, ob man ein traditionelles Theater bespielt oder derlei Hallen?
Ich möchte immer ein möglichst unterschiedliches Publikum haben, darum spiele ich an verschiedenen Orten. Die Fabrik ist mehr wie ein Club, in dem ja viele großartige Konzerte stattgefunden haben im Lauf von Jahrzehnten. Das ist ein sehr schnörkelloser Raum, in dem die Leute ganz direkt reagieren. Das Schauspielhaus war eine schwierigere Übung, aber auch erstaunlich intim, das haben die Architekten großartig gebaut.
Haben Sie eigentlich schon mal am Wiener Burgtheater gespielt?
Ja, ich spiele regelmäßig an der Burg, an Schließtagen, auch im Volkstheater Wien, das völlig baugleich mit dem Deutschen Schauspielhaus ist.
Halten Sie dort wie hier mit „Hader On Ice“ dem Publikum noch mehr den Spiegel vor als bei Ihren vorherigen Programmen?
Ich habe versucht, quasi den Zeitgeist beim Kragen zu packen, und leider hat sich unsere Zeit nicht so schnell zum Guten geändert, dass es schon inaktuell geworden wäre.
Inwieweit aktualisieren Sie Ihr Programm dennoch? Hat es überhaupt einen roten Faden?
Ich aktualisiere eher wenig. Aber das Programm aktualisiert sich selber. Plötzlich sind Dinge ernster als vorher, und andere Dinge werden lustiger. Ich spiele mich als einen älteren weißen Herren, und irgendwann sage ich, dass unsereins vor den Knöpfen sitzt für die Atombomben. Wir älteren weißen Herren haben nichts mehr zu verlieren, wir sterben ohnehin bald. Vielleicht wollen wir es am Schluss richtig krachen lassen und bomben uns und alle verschlafenen Millennials zurück in die Steinzeit. - Das war 2020 noch eine Stelle, wo alle gelacht haben, jetzt lachen die Leute nicht mehr.
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Wie sehr erschreckt Sie das als Satiriker und Autor?
Ich habe komischerweise keine Angst vor Dingen, die ich nicht beeinflussen kann. Ich habe da eine pragmatische Einstellung, vielleicht auch, weil ich vom Land komme. Ich mache mir Sorgen um Dinge, die ich selber zu verantworten habe. Teilweise schreibe ich mir die Sachen aber auch vom Leib, also ich schreibe mir auch meine eigene Angst und meine Betroffenheit über bestimmte Entwicklungen vom Leib mit meiner Satire. Und das mögen dann auch andere und profitieren hoffentlich irgendwie davon.
Das ist bis heute Ihr Antrieb?
Ja, aber natürlich auch, dass ich gern auftrete und wichtig bin für zwei Stunden.
„Andrea lässt sich scheiden“ Extra-Vorstellung mit Josef Hader, Mo 15.4., 20.00, Zeise-Kino, Karten: www.zeise.de; Kabarett-Theater „Hader On Ice“ Di 16.4., Zusatzshow Mi 17.4., jeweils 20.00 (jew. ausverkauft), Fabrik: www.fabrik.de