Hamburg. Die Hamburger Sängerin leidet seit 2020 unter einer Erkrankung, die ihr kaum erlaubt, das Haus zu verlassen. Was ihr Kraft gibt.

Es ist eine zärtliche und starke Selbstbehauptung, die Mia Diekow in ihre Songs hineinlegt. „So lange wir Entscheidungen treffen können today / weiß ich, wir sind okay‟, singt sie in „Ok‟, dem Eröffnungssongs ihres gerade veröffentlichten dritten Albums „Ich habe mich getroffen‟. Entstanden sind ihre detailverliebten und eingängigen, lebensklugen und feministischen Lieder bereits im Winter 2019. Eine große Lücke. Denn seit dem März 2020, da ist bei Mia Diekow auf einmal sehr vieles nicht mehr okay. Die Musikerin, Songschreiberin und Produzentin bekam Corona und ist in Folge dessen nun an ME/CFS erkrankt, der schwersten Form von Long Covid. Mal kann sie kleine Aufgaben des Alltags bewältigen, oft geht gar nichts.

Die wenige Energie, die ihr bleibt, steckt Mia Diekow in ihre aktivistische Arbeit, um über ME/CFS aufzuklären, um für mehr Forschung und eine bessere medizinische Betreuung von Betroffenen zu kämpfen. Um mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit zu schaffen, arbeitet sie mit der Charité in Berlin zusammen und hat die Initiative Long Covid Deutschland (LCD) mitbegründet. Auch auf ihrem Instagram-Kanal erzählt sie von ihrem Leben mit der schweren neuro-immunologischen Erkrankung. Sie blickt aber auch ehrlich und kritisch zurück auf ihre musikalische Laufbahn vom Hamburger Popkurs bis zum Majordeal.

Sängerin aus Hamburg: Mia Diekows neues Album und der schwere Kampf gegen Long Covid

Auch wenn ihre wunderbar eigensinnigen Pop-Chansons vor diesem langwierigen Schicksalsschlag entstanden sind, wirken manche Zeilen wie ein Kommentar zu ihrer aktuellen Situation. Etwa, wenn sie in dem soft-bluesigen „Babyschritte‟ singt: „Ich brauche Zeit, Zeit mich auszuruhen / anstatt Tausend erst mal drei bis vier Schritte zu tun‟.

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Den Song, so erzählt Mia Diekow, habe sie vor fast zehn Jahren nach einer Panikattacke geschrieben. Damals war das für sie ein Warnsignal, um in Therapie zu gehen. „Und die Werkzeuge, die ich da gelernt habe, helfen mir heute enorm, mit meiner lähmenden Erkrankung ME/CFS umzugehen‟, erklärt die Künstlerin. Welche „Babyschritte‟ aus einer Krise herausführen können, besingt sie da mit der ihr ganz eigenen Stimme, leicht und intensiv. Allen voran die Erkenntnis: „Schritt 1 – du bist nicht allein‟.

Sängerin aus Hamburg: Mia Diekows „Babyschritte“ entstand nach einer Paniklattake

Mit Hilfe von Freunden und Fans, die sich an einem Crowdfunding beteiligt haben, hat sie ihr Album nun veröffentlicht. Ihre Songs sind der faszinierende wie facettenreiche Ausdruck einer künstlerischen Seele. Ob sie in „Der Mensch für mich‟ zart schmelzend George und Ira Gershwin interpretiert. Oder ob sie in „Brief an den Vater‟ das Verhältnis zu dem abwesenden Erzeuger erkundet. Eine eindringliche Nummer, die auch von Mia Diekows kooperativer Kraft zeugt: Die befreundete Komponistin Zeina Azouqah arrangierte die Musik, eingespielt wurde sie vom Deutschen Film Orchester Babelsberg.

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„New York‟ wiederum ist ein beschwingter Song mit Handclap-Charme. Mit welcher unbeschwerten Freude sie da ein Liebespaar schildert, das durch die Straßen der Stadt stromert, verursacht beim Hören auch Wehmut. Denn seit Jahren muss Mia Diekow die meiste Zeit liegend und ruhend verbringen, kann nur selten das Haus verlassen. Das Cover-Artwork von „Ich habe mich getroffen‟ ist Spiegel dieser Existenz. Mit ruhigem Stolz sitzt sie in ihrem Bett, umgeben von Bildern, Blumen und Instrumenten. Das Foto wirkt wie ein Gemälde, warm und konzentriert. Und Mia Diekow blickt offen in die Welt, in die sie sich poetisch einbringt mit diesem Album. Ein Geschenk.

Mia Diekow: „Ich habe mich getroffen‟ (Chateau LaLa)