Hamburg. Jessica Hausners neuer Spielfilm zeigt hemmungslose Kontrollsucht. Wieso jugendliches Hungern nichts mit Schönheitswahn zu tun haben muss.
Wenn sich Suppenkasper und Rattenfänger in einer stürmischen Amour fou wiederfänden, käme wahrscheinlich „Club Zero“ dabei heraus. In ihrer neuesten Produktion lässt Jessica Hausner eine Handvoll englischer Eliteschülerinnen und -schüler den radikalen Verzicht üben. Schließlich haben sie an einer nur allzu verführerischen Lehrerin einen Narren gefressen – und die ist eine vehemente Fürsprecherin des „bewussten Essens“, ergo Todhungerns.
Um einen Instagram-Schönheitswahn, den Traum vom Schlanksein und die Rückkehr des Heroin Chics geht es der österreichischen Regisseurin in ihrer wenig subtilen Voll-auf-die-Zwölf-Satire aber nicht. Stattdessen exerziert Hausner den Fastenwahn als Parabel aufs Religiöse aus, letztes Abendmahl inklusive. Seine Hamburg-Premiere feierte „Club Zero“ in Anwesenheit der Regisseurin am Gründonnerstag im Abaton. Das Kino zeigt den Film, der im vergangenen Jahr in Cannes ins Rennen um die Goldene Palme ging, noch bis Mittwoch, 3. April, täglich.
Kino Hamburg: Abaton zeigt Jessica Hausners „Club Zero“
Bei „Club Zero“, das wird schnell klar, hat sich Hausner richtig was gedacht. Akkurate Einstellungen, eindringlich-kultische Klänge, artifizielle Zooms: Bis ins Kleinste sind hier sämtliche Details stilisiert. Ein Blickfang auch die farbintensiven Kostüme, für die Hausners Schwester verantwortlich zeichnet. Das passt zum Konzept, zeigt „Club Zero“ doch, wie weit Kontrollsucht gehen kann: nämlich so weit, dass man die ganze Kontrolle so gar nicht mehr kontrollieren kann und sich zum Sklaven seiner eigenen Disziplin macht.
Dass sich die Schülerinnen und Schüler in ihrem Film ausgerechnet einer Fastenpropagandistin (geheimnisvoll: Mia Wasikowska) unterwerfen, sei nicht allzu konkret zu begreifen, betont Hausner nach der Vorführung im Abaton. Es gehe vielmehr „darum, wie eine Idee immer mächtiger wird, eben zu einer Ideologie wird“. Ernährung als Ersatzreligion. Nicht lange dauert es, da beichten die Jünger ihrer spirituellen Führerin unter Tränen ihre Sünden – heimliches Naschen zum Beispiel. Tja, nichts schmeckt so gut, wie sich Erleuchtet-Sein anfühlt.
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„Club Zero“: Menschen die auf Essen starren
Nicht zuletzt ist „Club Zero“ ein bitterer Kommentar auf Konsum und den expliziten Verzicht darauf, denn: „Man kann das Essen nur in einer Gesellschaft verweigern, in der es zu viel davon gibt“, sagt die Regisseurin. Und die reichen, verzogenen Gören können es sich eben leisten, auf dem Silbertablett daher getragene Törtchen abzulehnen oder die Garnele auf der goldenen Gabel lange, lange anzustarren, um sie dann doch liegen zu lassen. Sowieso: In diesem Film wird viel und lange auf Essen gestarrt – clevere Kinobesucher kaufen sich ausreichend Popcorn zum Appetitstillen.