Hamburg. Ein Stadtteil, in dem jeder ein Klavier hat. Drei Mütter, die sich im Wald aussetzen lassen. Eine ist dann tot. Könnte spannend sein.

Es gibt in Bremen tatsächlich einen Stadtteil, der den starken Namen „Schwachhausen“ trägt. Kenner wissen, dass der eine wunderhübsche, mit Altbremer Häusern durchsetzte Anmutung hat. So schön ist‘s nicht mal in Hamburg, ehrlich. Kulturbeflissen ist die Bremer Gutbürgerlichkeit auch: In wirklich jedem Wohnzimmer (stilecht mit Flügeltür) steht ein Klavier. Das fällt auch Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) im neuen „Tatort“ auf, die gleich mal loslästert. Unwohl im Spießeridyll fühlt sich aber vor allem die Kollegin Selb (Luise Wolfram), es gibt da eine familiäre Vergangenheit. Also: „Scheiß Schwachhausen!“

Weil das durch den Abgang von Dänen-Kollege Mads Andersen (Dar Salim) geschrumpfte Bremer Ermittler-Team in dem Krimi „Angst im Dunkeln“ gleichzeitig aber viel zwischen Bäumen ran muss, hat auch Moormann („Scheißwald!“) ihr Thema. Eine in Schwachhausen lebende Frau wurde tot aufgefunden. Marlene Seifert (Inez Bjørg David) war mit ihren beiden Freundinnen Viola (Sophie Lutz) und Ayla (Pegah Ferydoni) im niedersächsisch-bremischen Grenzgebiet unterwegs. Irgendeine Art von merkwürdiger neumodischer Challenge hatte das Trio dorthin verschlagen. Ausgesetzt wurden sie von ihren Teenager-Kids, um als Test-Truppe genau für diese mal zu üben, ob das mit dem „Dropping“ denn funktioniert. Also ob man ohne Handy aus dem tiefen Wald zurück nach Hause finden kann.

„Tatort“ im Ersten aus Bremen: Spießeridyll mit Geheimnis und Verrat

Also, die Krimi-notwendige Leiche gibt es. Von der ausgehend entwickelt sich dann ein Fall (Regie: Leah Striker, Drehbuch: Kirsten Peters), der absolut und unbedingt konsequent in Richtung hanebüchen abdreht. Die Schwachhausen-Einsichten sind fraglos dafür da, nicht das theoretisch so wohlanständige, spießige, sondern das hundsgemeine Miteinander mit Geheimnis und Verrat ins Licht zu rücken. Da gibt es eine Affäre, die Marlene Seiferts Mann (Henning Baum) mit ihrer Freundin Ayla hat und auch sonst ungute Verwicklungen wie etwa Mobbing in der Schule. Motive für eine Mordtat in der Nachbarschaft sind reichlich vorhanden.

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Kommissarin Selb glaubt dennoch eher daran, dass der ein paar Jahre vorher in den Mittelpunkt von Ermittlungen gerückte und nie gefasste „Handy-Mann“ wieder eine Rolle spielen könnte. Auf den Handys der beiden Frauen, die mit der Toten nachts im Wald waren, tauchten jedenfalls Fotos auf, die beim nächtlichen Pennen im Zelt von ihnen aufgenommen worden waren. Der „Handy-Mann“ fotografierte einst schon andere Wald-Camperinnen, während sie schliefen. Und: Er könnte überdies eine Frau ermordet haben. Gefasst wurde der unheimliche Typ nie. Die teil-autistische Selb darf auf dieser Spur nach Kräften herumreiten, während die nölige Moormann sie für die fixe Idee verspottet.

Kollege Simon (Patrick Isermeyer) zeigt den Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, rechts) und Linda Selb (Luise Wolfram) die Leiche im Wald.
Kollege Simon (Patrick Isermeyer) zeigt den Kommissarinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer, rechts) und Linda Selb (Luise Wolfram) die Leiche im Wald. © Radio Bremen/Claudia Konerding | Radio Bremen/Claudia Konerding

Das schicke Bürgerviertel und der dräuende teutsche Wald in einem rabiat zusammengehauenen Plot: Es verwundert nicht, dass sich in dem die Klischees stapeln, auch sprachlich. Da darf eine Kommissarin („Du bist irgendwo da draußen, und ich werde dich finden“) pathetisch Ermittlungserfolge herbeireden, und da muss selbstredend auch ein altkluger Heranwachsender der versammelten Elternschaft die ganz, ganz böse Wahrheit ins Gesicht schleudern: „Ey Leute, ihr seid doch alles so verlogene Arschlöcher“. Am meisten Spaß in dieser insgesamt verkorksten Folge macht am Ende sicher Jasna Fritzi Bauer, deren genervte Aufgeregtheit zum Schluss, als zu allen Tätern noch eine weitere Täterin dazukommt, ziemlich plausibel ist.

Muss man diese Folge also gar nicht sehen? Ach, warum nicht. Wie gesagt, schöne Stadt, dieses Bremen; wenn nur die Leute, wie dieser „Tatort“ glauben machen will, nicht auf so langweilige Art verzweifelt wären.

„Tatort: Angst im Dunkeln“ 1.4., 20.15 Uhr, Das Erste

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