Bremen. Premiere: Die Lürsen-Stedefreund-Nachfolger Jasna Fritzi Bauer und Dar Salim ermitteln gegen einen Ex-Fußballer von Werder.
Zunächst zum Dänen-Import. Er ist der bremische Supercoup. Eh klar. Es ist jetzt wirklich und endlich so, dass ein Mann mit topcharmantem skandinavischen Akzent durchs deutsche Krimifernsehen stiefelt. Nun weiß man: Genau das wurde bisher vermisst. Erster Fall für das neue Bremer „Tatort“-Team, da schaut man nicht nur, da hört man genau hin. Dar Salim („Borgen“, „Game of Thrones“) spielt den in Deutschland geparkten Kopenhagener Undercover-Ermittler Mads Andersen, der sich am Anfang dieses Kriminalfilms schon wieder auf der Heimreise befindet.
Das ist der Running Gag der Folge „Neugeboren“: wie ein Mann zurück nach Hause will und immer wieder auf dem Weg zum Bahnhof ist, aber von den Wendungen eines Falls stets aufs Neue aufgehalten wird. Kann man so machen.
Neues Ermittlerteam in Bremen
Der Kriminalfall ist fraglos ohnehin zweitrangig, wenn es um den Launch eines neuen Ermittlerteams geht. Er sei natürlich dennoch kurz skizziert: ein entführtes Baby hier, ein Toter dort, zwei Vorgänge, das wird der Polizei aber erst spät klar, die etwas miteinander zu tun haben. Ermittelt wird im Milieu der Abgehängten und Deklassierten.
Dort, wo die Jugend Drogen nimmt und die Älteren saufen und Hartz IV bekommen. Dort, wo Familien nicht funktionieren und sich deswegen Tragödien ereignen. Wobei die szenische Montage zu Beginn gleich den Metaebenenalarm schrillen lässt – eine Schlägerei vor der Kneipe blendet in eine angedeutete Hausgeburtsszene über.
Linda Selb aus Lürsen-Stedefreund-„Tatort“ bekannt
Das Licht der Welt erblickt nun also auch der neue „Tatort“. Der tote Dealer in der Überseestadt, bei dem der anfängliche Suizid-Verdacht schnell dem Wissen um ein Tötungsdelikt weicht, und die Personalnot führen die Ermittler nun zusammen. Hardcore-Fans der Krimireihe kennen die frische Bremer „Tatort“-Abteilung bereits aus der ziemlich gelungenen Mockumentary „How to Tatort“.
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Nun also der Ernstfall, die Wahrheit liegt bekanntlich aufm Platz: Die BKA-Ermittlerin Linda Selb (Luise Wolfram) ist vom bis zuletzt überzeugenden Lürsen-Stedefreund-„Tatort“ noch bekannt, Liv Moormann (sehr gut: Jasna Fritzi Bauer) dagegen ganz neu in Bremen. Sie kommt aus Bremerhaven zur Mordkommission. Aus Bremerhaven die Weser rauf, das ist vielleicht so, als dürfte man von Hamburg nach Berlin, mindestens.
Ein Fußballer unter Mordverdacht
Wobei Auf- und Abstieg ohnehin ein Leitmotiv dieser Folge ist. Unter Mordverdacht gerät schnell ein Mann namens Rudi Stiehler (André Szymanski), den man im Wohnblock nur „den Fußballer“ nennt und der sich gleich in der ersten Szene das Gesicht demolieren lässt, aber weiter stolz seine Werder-Jacke durch trostlose Suff-Straßen trägt.
Früher war er ein verheißungsvoller Nachwuchskicker, dann riss zweimal das Kreuzband, und es wurde nix mit der Karriere. Die Tochter schickt ihm fingierte Fan-Briefe, der Sohn verachtet ihn, aber der neue Enkelsohn soll die Familie aus der Tristesse holen. Leider ist der vermutliche Kindsvater dann plötzlich tot. Deswegen ermittelt ja die Mordkommission, die Zeuge des Trauerspiels eines Mannes wird, der im Früher hängen geblieben ist.
Die Dialoge dieser Folge sind das Salz in der Krimisuppe
„Heldengeschichten aus der Vergangenheit, hat nix mit der Gegenwart zu tun“, sagt Mads Andersen einmal, und das meint in dem Moment auf jeden Fall auch, dass der Fußball in Bremen viel erfolgreicher war, als die Stürmer Rudi und nicht Davie hießen.
Die Dialoge in dieser „Tatort“-Premiere sind definitiv das Salz in der Krimisuppe, die übrigens nie klumpig ist, sondern gut verrührt. „Neugeboren“ (Buch: Christian Jeltsch, Regie: Barbara Kulcsar) lässt harte Unterschichtsrealität auf einigermaßen hartgesottene Ermittler treffen. Die übertaffe Profilerin Selb darf angesichts eines niederschmetternden zweiten Todesfalls übrigens auch mal kurz die Fassung verlieren.
Erste Liga: Bremer „Tatort“
Da weint sie dann auch noch ihrem Lover Stedefreund hinterher, der ja das Zeitliche segnete. Meist aber stapft sie weiterhin herrlich fröhlich über den Tatort, weil Verbrechen ihr so viel Spaß machen wie die neuen Kollegen („Wo sind der Frischling und der Wikinger?“), mit denen das Teambuilding am offenen Mord-Herzen ziemlich gut funktioniert. Kollegin Moormann ist übrigens ihre ermittlungsgeile Schwester im Geiste. Klug, ehrgeizig, unerschrocken. Andersen, der noch undurchsichtig bleibende Mann im Bunde, ist erst mal vor allem für die Action zuständig.
Gefällt, diese Rollenverteilung. Sowieso eine gelungene „Tatort“-Folge, ganz klar erste Liga.
„Tatort: Neugeboren“: Pfingstmontag, 20.15 Uhr, Das Erste