Hamburg. Geburtstags-Gala zum Auftakt des Kabarettfests zeigt Vielfalt. Nessi Tausendschön und Thomas Freitag sorgen für satirische Glanzlichter.

Ein zur Hälfte neues Gastgeber-Duo, aber die gewohnte (Über-)Länge von fast vier Stunden: Darauf war mit Alma-Hoppe-Gründer Jan-Peter Petersen auch mit seinem Sohn Max Beier in der Gala zum 30. Geburtstag des Lustspielhauses Verlass. Ebenso wie auf einen Mix von diesmal zehn Künstlern, welche die Vielfalt des Genres Kabarett abbildeten.

Jürgen Becker, Ex-Moderator der WDR-„Mitternachtsspitzen“, lobte das im Vorjahr für rund 300.000 Euro renovierte Eppendorfer Lustspiehaus als „eines der schönsten Theater Deutschlands“, spießte dann jedoch das Thema Gentrifizierung gekonnt überspitzt am Beispiel von Hamburg, München und seiner Heimatstadt Köln auf. Mitsamt der mit ihren Koffern in die Szeneviertel einfallenden Airbnb-Touristen, für Becker schlicht „die Zeugen Rimowas“. Sein Plädoyer für mehr städtisches und genossenschaftliches Wohnen wie in Wien fand reichlich Beifall.

Alma Hoppes Lustspielhaus in Hamburg feiert Geburtstag: „Das Auge lacht mit“

Galt auch Lutz von Rosenberg Lipinsky, der nicht davor zurückschreckte, ältere und aktuelle Auszüge seines Soloprogramms „Keine Bewegung“ (wieder am 12. Mai) mit einem Schlager-Medley abzurunden: Helene Fischers „Atemlos“ wurde bei ihm zu „Ahnungslos, was die Regierung mit uns macht“. Kleinkunstpreisträgerin Katie Freudenschuss singt gewiss noch besser. Und erstaunlich, wie sie nach ellenlanger Abfrage von Begriffen zur Verzückung des Publikums daraus am Klavier immer wieder neue Hamburg-Hymnen kreiert, diesmal etwa mit dem Horner Kreisel zu Melodien wie „Stairway To Heaven“ und „Ode an die Freude“.

Freudenschuss half musikalisch der Gruppe Hidden Shakespeare ebenfalls beim Improvisieren dreier Szenen. Thorsten Neelmeyer erntete bei der auf dem Friedhof angesiedelten Gefühlsachterbahn zur Emotion „Sankt Pauli“ (!) im Dialog mit Schauspielkollegin Kirsten Sprick mit seinem spontanen Einwurf „Wenn diese Primel aufsteigt, ist alles möglich“ die größten Lacher.

Tausendschön im Lustspielhaus: „Wir brauchen mal einen lustigen Mann, nicht zu alt, nicht zu dick“

Am satirisch gehaltvollsten waren zwei weitere Acts des zweiten Drittels: Nessi Tausendschön, zu Klängen ihres Gitarrenbegleiters William Mackenzie auch Meisterin des Ausdruckstanzes, rechnete als Fernsehintendantin in ironischer Umkehr der realen Kleinkunstverhältnisse mit Besetzungsritualen ab: „Wir brauchen mal einen lustigen Mann, nicht zu alt, nicht zu dick!“, forderte Tausendschön, am 27. April mit „Rumeiern“ erneut im Lustspielhaus. „Das Auge lacht ja mit“.

Zum Glück galt das (noch) nicht für Thomas Freitag (73): Der Großmeister des deutschen Kabaretts klagte, dass die heutige Politikergeneration kaum mehr für Parodien tauge, ließ dann mit Auszügen seines 30 Jahre alten Programms „Hoppla! – Ein deutsches Schicksal“ die alte Garde von Brandt über Blüm und Kohl bis zu Schmidt und Strauß quicklebendig wirken. Dazu kam noch ein sich am Boden wälzender Kritiker-Papst Reich-Ranicki. Sein Programm „Hinter uns die Zukunft“ spielt Freitag am 7. April zum letzten Mal.

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Der emsige Schwabe Werner Koczwara, Motto diesmal: „Lieber zwölf Minuten geschämt als eine Stunde geprobt“, riss in der Kürze versiert bis deftig-knackig sechs Semester zur Erlangung des Humor-Diploms ab. Etwa mit einem Beispiel aus Kapitel zwei: Tod beim Geschlechtsverkehr? „Aufeinander eingehen!“... Der Hamburger Sebastian Schnoy tat sein bereits per E-Mail verbreitetes Angebot zur Übernahme des Elbtowers noch mal auf der Bühne kund, verwies nun auf sein Äußeres („Ein Bauhelm und ein Sakko – und schon bist du Investor!“), blickte schließlich weit über die Stadtgrenzen hinaus: „Trump schreibt jetzt ein Buch mit seinen außenpolitischen Visionen – es erscheint im Pixi-Verlag“... str

„Kabarettfest 2024“ bis 30.4., Lustspielhaus, Karten zu 30,- (erm. 20,-) bis 37,- unter T. 040/55 56 55 56; www.almahoppe.de