Hamburg. Wie selbstverliebt kann ein Mensch sein? Auch der Gesang des US-Superstars in der Barclays Arena war schlicht unterirdisch.


Gutefrage.net: Wer hat dieses Portal nicht schon mal genutzt, um auf die wichtigen Fragen des Lebens eine Antwort zu finden? Hobby-Experten diskutieren hier zum Beispiel über Themen wie „Kann man von Küssen schwanger werden? HILFE!“ und „Kann man Gurkenwasser trinken?“. Aber auch die Frage „Lohnt sich ein Jason-Derulo-Konzert?“ wurde dort schon gestellt.

Die simple Antwort: nein. Stolze 80 Euro kostete ein Stehplatz-Ticket für das Jason-Derulo-Konzertin der Barclays Arena am Sonntagabend – Geld, das wahrlich besser ausgegeben werden kann als für einen Besuch seiner „Nu King World Tour 2024“.

Jason Derulo in Hamburg: Countdown zum Konzert ist ein Flop

Um 20 Uhr startet der Musiker Afro B als Support-Act in den Abend. Mit afrikanischen Sounds und zwei Tänzerinnen versucht er, das Publikum in seinen Bann zu ziehen – doch er schafft es nicht so wirklich. Auch seine wohl nett gemeinten Komplimente an „all the sexy ladies“ in der Halle wirken eher unangenehm. Doch noch übertüncht die Vorfreude auf den Main-Act jegliche negative Verstimmungen. Noch.

Bereits die Ankunft von Jason Derulo gestaltet sich als Flop: Nachdem ein zehnminütiger Countdown auf einem riesigen Bildschirm erfolgreich Spannung aufgebaut hat und die sehnsüchtig wartenden Fans die letzten zehn Sekunden lautstark herunterzählen, passiert erst einmal: nichts. Verwirrung macht sich im Publikum breit.

Konzert in der Barclays Arena: Jason Derulo tritt auf wie der König

Es dauert noch ein paar Momente, dann ist der Anfang zum Musikvideos des Songs „Nu King“ auf den riesigen Bildschirmen zu sehen. In rotem Pelz sitzt der selbsternannte „Neue König“ auf einem Thron, auf seinem Kopf trägt er eine Dornenkrone mit Glitzersteinen. Auf seinem Instagram-Kanal wird ihm vorgeworfen, sich damit über Religion im Allgemeinen und über das Christentum im Speziellen lustig zu machen – als ob er Jesus nachahmen wolle.

Doch Jason Derulo fühlt sich nicht wie der Sohn Gottes – sondern wie Gott selbst, so wirkt es jedenfalls. In roter Jacke und mit silbernen Ketten erscheint er auf dem erhobenen Podest auf der Bühne. Er steht da wie ein Heiliger, lässt sich vom Publikum feiern. Wofür nur? Bei seinem nächsten Song „Whatcha Say“ haucht er Töne ins Mikrofon, die nicht nur viel zu leise, sondern auch erschreckend schlecht klingen – viele Töne trifft er gar nicht.

Konzert von Jason Derulo: Die Tänzer und die Choreos machen Freude

Erleichterung stellt sich immer dann ein, wenn das Playback Jason Derulos fatale Gesang-Performance ersetzt. Und das ist an diesem Abend häufig der Fall. Der „König“ singt manchmal nur halbe Sätze mit, in einigen Songs überwiegt das Playback. So bleibt ihm die Luft zum Tanzen. Und das muss man ihm lassen: Tanzen kann der Mann.

Ebenso wie seine zahlreichen Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne, die in extravaganten Outfits anzügliche Choreos und abenteuerliche Bewegungen hinlegen. Es macht Spaß, den Tanzenden beim Twerken, beim Verrenken, bei Saltos und beim Spagat zuzuschauen. Und vor allem: Es rettet den Abend ein wenig, die „historische Nacht“, wie Derulo sie nennt.

Jason Derulo überzeugt am Sonntagabend in Hamburg nicht mit der Musik: Aber die Tänze retten den Abend.
Jason Derulo überzeugt am Sonntagabend in Hamburg nicht mit der Musik: Aber die Tänze retten den Abend. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Neun Jahre lang hat Jason Derulo kein neues Album rausgebracht

Jason Derulo – der Musiker, der zu Beginn seiner Songs stets seinen eigenen Namen singt (spätestens nach dem Konzert ist klar, dass das leider kein bisschen selbstironisch gemeint ist), hat im Februar sein fünftes Album „Nu King“ herausgebracht. Neun Jahre liegen zwischen dem aktuellen und dem letzten Album aus dem Jahr 2015. Zwischendurch hat er immer wieder einzelne Songs wie „Swalla“ und „Tip Toe“ veröffentlicht.

Sein Hit „Whatcha Say“, mit dem er im Jahr 2009 den Durchbruch schaffte, hat auf Spotify 620 Millionen Streams. Am meisten gehört wurde jedoch sein Song „Want To Want Me“, mit mehr als einer Milliarde Streams auf der schwedischen Streamingplattform. Zudem erreicht Jason Derulo durch TikTok auch eine junge Zielgruppe: Seinem Kanal folgen fast 60 Millionen Menschen. Zum Vergleich: Taylor Swift hat auf TikTok lediglich knapp mehr als 25 Millionen Follower.

Jason Derulo in Hamburg: Sind Kalendersprüche wieder in Mode?

22 Uhr, Halbzeit auf dem Konzert. Bevor Jason Derulo „Mad Love“ aus dem neuen Album singt, nimmt er sich Zeit für einen Monolog. Emotionale Musik läuft im Hintergrund, während Derulo über eine für ihn schwierige Lebensphase redet. Doch nun sei er ein „brandneuer Mann“, und er möchte seinen Fans ein paar Weisheiten mitgeben: Alles werde gut, die Zeit heile alles. Seit wann sind Kalendersprüche wieder in Mode ...?

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Wenn Derulo gespielt gefühlsduselig wird oder in viel zu langen Einheiten theatralisch ins Mikrofon singt, brennen einem vor Fremdscham die Augen: Alles an dem Mann wirkt künstlich, er macht es einem wahrlich schwer, ihn ernst zu nehmen. Seine übertriebene Selbstinszenierung ist schmerzhaft mitanzusehen. Ein Großteil seines Konzerts wirkt wie ein Witz – nur wartet man verzweifelt auf die Pointe.

Konzert von Jason Derulo in Hamburg: ein enttäuschender Abend

Große Feuerfontänen, Konfetti, Luftschlangen, Glitzerregen: Zumindest wird den Fans in Hamburg eine aufwendige Show geboten. Um kurz nach elf ist das Konzert von Jason Derulo zu Ende: „Ich habe heute Abend die Zeit meines Lebens gehabt“, sagt der Popstar. Nun gut, wenigstens einer.

Draußen vor der Barclays Arena singt eine Straßenkünstlerin zur Akustikgitarre mit einer samtweichen Stimme. Musikalisch hat der Abend also doch noch ein Happy End.