Hamburg. Die englische Indierockband spielte ein mitreißendes Set. Leider hielt sie es aber auch für eine gute Idee, politisch zu werden.

Ein Stück der britischen Postpunk-Truppe Idles heißt „I‘m Scum“. Joe Talbots Lyrics rasen da so brachial wie immer („I sing at fascists/til my head comes off/I am Dennis Skinner‘s molotov/I‘m lefty, I‘m soft/I‘m minimum wage job“), und selbiges tun die Gitarren. Am Sonnabendabend in der Sporthalle beschleunigte sich der Sänger allerdings vor allem in eine (selbst-)gerechte Wut den Nahostkonflikt betreffend.

Er sprach beim Idles-Konzert in der Sporthalle die Leute direkt an. Ob irgendwelche „Drecksäcke“ im Publikum seien? Er denke mal nicht, beantwortete sich Talbot seine Frage gleich selbst. Sein „Viva Palästina“ retournierte die Crowd aber keineswegs im wünschenswerten Maße, nämlich eher verhalten. Was Talbot dann mal lieber nicht kommentierte.

Idles in Hamburg: Und dann versaut einem der Sänger beim Konzert alles

Was er kommentierte, waren die Vorgänge im Gazastreifen – ein sicher allgegenwärtiges Thema derzeit auch in der Kulturszene. Talbot gedachte der „unschuldigen Opfer“ in Palästina. So weit, so in Ordnung. Man kann und muss die israelische Regierung, die Militäraktionen kritisieren. Am besten jedoch oder eigentlich zwingend im Kontext der Hamas-Barbarei.

Die aggressive Politisierung, mit der Talbot den heiß ersehnten Auftritt seiner seit einiger Zeit schwer angesagten Band überzog, war allerdings komplett drüber. Da stellte sich einer, der ganz genau wusste, wo er sich befand – in einer deutschen Stadt –, und forderte eine sehr einseitige Parteinahme.

Idles in Hamburg: Aggressive Politisierung beim Thema Nahostkonflikt

Eigentlich sind Idles eine von den politischen Bands, die dank ihrer furiosen, mitreißenden Auftritte eine befreiende Wirkung haben: Arbeiterklassen-Heroen, Feministen, was immer die Musiker sein wollen – man kann den ganzen Ernst und die Slogans alle wegmoshen, wegtanzen.

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Ja, Idles sind eine der großen Tanzbands dieser Tage. In der Sporthalle versaute Joe Talbot aber manchen den Abend, indem er aus der Befreiung ein „Bekenne dich“-Gefängnis machte. Nun denn. Talbot ist ein sensibler, reflektierter Typ, so kommt er jedenfalls in Interviews rüber. Und er ist ein exzentrischer Frontmann, ein Bühnen-Ereignis. Jenseits des Politischen war der fast zweistündige Idles-Auftritt eine Postpunk-Dröhnung erster Güte.

Idles in Hamburg: Elegisch ging es los, dann wurde geknüppelt

Elegisch ging‘s los, das Ruhige ist nicht unbedingt Idles-Revier. Diese irre druckvolle Band schlich sich mit „IDEA 01“ und dem Beginn von „Colossus“ in das Konzert, aber dann wurde auch schon geknüppelt. „Are you ready to collide/Are you ready for love?“, rief Talbot den eskalierwilligen Leuten zu, und bei „Gift Horse“ war dann schon viel Bewegung in den Reihen. Die bestanden aus dem Milieu von Studi und Eben-noch-Studi, aber auch aus älteren Konzertgängern. Aus Joy-Division-Shirt-Trägern, popkulturellen Bescheidwissern mit der Kraft der jahrzehntelangen Konzertpraxis. Ihr Blick bewegte sich zwischen Kenne-ich-alles-Skepsis und „Ich würde schon in den Moshpit, aber die Hüfte“.

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Der rhythmusbasierte Sound von Ildes bewegt sich zwischen Punkrock und Hardcore, also den Spielarten, die besonders Männer-Cliquen anziehen, tätowierte und nicht tätowierte Bruderschaften der geschwungenen Fäuste. Vom neuen, gerade erschienenen Album „Tangk“ wurde viel gespielt, aber auch „Joy as an Act of Resistance“ (toller Albumtitel, immer noch) kam viel zu seinem Recht. „Televison“, „Grace“, „Never Fight A Man With A Perm“, das immens wutgetriebene „Mother“ – in den besten Momenten brodelte die Sporthalle. Joe Talbot, der so gerne, mit heißem Honigwasser gedopt, immer wieder im Kreis über die Bühne stiefelt, stand dann manchmal einfch nur da, blickte herausfordernd oder triumphierend ins Publikum. Weil er wusste, er braucht immer nur seine Gitarrenberserker loszulassen. Und die Leute drehen durch.

„Messerscharfe Riffs“, darf man das hier mal wieder sagen? Aber ja. Joe Talbot, der Kämpfer, der die eigene Misere besiegte und immer weiter besiegt, der Survivor Joe Talbot sang und schrie seine Hymnen in Hamburg für alle, die auch am Kämpfen sind. Nur was eine Sache angeht, hätte er besser geschwiegen.