Hamburg. Elektronische Sounds im Kleinen Saal wirken teilweise verstörend. Aber sie haben auch mit Schmerz und feministischem Widerstand zu tun.
- Beim Hamburger Musikprojekt Rosaceae in der Elbphilharmonie suchen einige Zuscher zunächst das Weite
- Die elektronischen Klänge der Künstlerin wirken im Kleinen Saal mitunter verstörend
- Vor allem am Ende des Konzerts gibt es dann aber spannende Kontraste zu hören
Rosaceae hockt auf dem Boden des Kleinen Saals der Hamburger Elbphilharmonie in einem langen schwarz-roten Kleid, dreht versunken an Knöpfen und choreografiert Samples, manchmal bedient sie die Tasten eines Synthesizers. Das geht viele Minuten so.
Bald türmt sich aus einer anfänglichen Ambient-Stimmung heraus eine Wand aus Noise auf. Mal erinnert sie eher an ein Rauschen und Knarzen, manchmal klingt sie, als säße man in einem Flugzeug, das gleich zur Landung ansetzt.
Elbphilharmonie Hamburg: Zuschauer verlassen bei „Rosaceae“ den Saal – und verpassen etwas
Hinter dem Musikprojekt „Rosaceae“ verbirgt sich die Hamburger Künstlerin Leyla Yenirce. Vielfach mit Preisen ausgezeichnete Absolventin der HfbK, ist sie gleichermaßen in der Malerei, der Videoinstallation, der Performance und der audiovisuellen Kunst zu Hause. Ihre live gespielten elektronischen Sounds sind präzise Collagen von Sprachsamples und Field Recordings. Sie sind auch sperrig und mitunter verstörend, haben sie inhaltlich doch mit Schmerz und mit feministischem Widerstand zu tun.
Eingängige Elektronik mit poppigem Gesang liefert „Rosaceae“ hingegen nicht. Und so suchen bald vereinzelt Besucherinnen und Besucher das Weite. Ihnen entgeht unter anderem die sanft einsteigende, bald virtuos den Noise anreichernde Gitarre von Noah-Jinu Moerbeck. Mit seinen fein aufgetürmten Harmonien erinnert Moerbecks Gitarrenspiel durchaus etwa an einen Robert Fripp.
„Rosaceae“ ist ein außergewöhnliches Musikprojekt – wohin wird es sich entwickeln?
Irgendwann erhebt sich Leyla Yenirce und stößt ein paar dadaistisch anmutende Liedzeilen ins Mikrofon. Das bewusst Ungelenke der Harmonien, die gegenläufig zur Musik verlaufen, ist wahrscheinlich Absicht, im Ergebnis aber dann doch nicht so glücklich. Yenirces Stärke liegt eindeutig im Aufeinanderschichten von Klang- und Sprachflächen.
Erst im letzten Drittel des Abends ergänzt die Sängerin Simav Hussein das Duo und singt mit warmer Stimme einige wunderschöne kurdische Folk-Lieder. Ein interessanter Kontrast zum Vorherigen und doch passend, denn es geht bei diesen durch die Körper hindurchbrausenden Klängen um eine Art Schmerzaustreibung, aber auch um eine intensiv spürbare Selbstermächtigung.
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Leyla Yenirce kam im Alter von zwei Jahren mit ihrer jesidischen Familie aus dem türkischen Teil Kurdistans nach Deutschland. Das Wissen um den Genozid an den Jesiden 2014 ist in ihrer Kunst immer präsent. „Rosaceae“ ist in jedem Fall ein außergewöhnliches Musikprojekt, bei dem man gespannt sein darf, in welche Richtung es sich weiter entwickeln wird.