Hamburg. Die neue Ausstellung demonstriert, warum wir Meere und Flüsse als lebendige Wesen begreifen müssen – und zeigt einen berührenden Film.

Das Geschrei von Möwen, das über einem Fangnetz aus grünem Kunststoff am Eingang der Ausstellung auf die Besucher schallt und so vertraut erscheint, führt in die Irre: In „Wasser Botschaften“ im MARKK geht es nicht um norddeutsches Lebensgefühl. Obwohl: Auch die friesischen Halligen spielen eine Rolle.

Vom Meer umgeben und in ständiger Bedrohung davon überspült zu werden – neben einem Videoeinspieler zeugt ein historisches Nebelhorn von der einstigen Kommunikation zwischen den Bewohnern der Warften, wenn Land unter war.

„Wasser Botschaften“ im MARKK zeigt berührenden Film über zwei Dichterinnen

Auch der Ausstellungsraum mit seinen verstreuten Exponaten und dem organischen Dekor soll den Eindruck vermitteln, dass hier alles einmal überschwemmt wurde und zwischenzeitlich als Treibgut wieder gestrandet ist (wobei das Mobiliar aus der vorherigen Ausstellung über Aby Warburg recycelt und wiederverwendet wurde). Es funktioniert als Metapher dafür, dass etliche Lebensräume bedroht sind: durch schmelzende Gletscher und Meeresspiegelanstieg, durch Sturmfluten, Dürre und Verschmutzung.

Wie sehr alles miteinander zusammenhängt, zeigt ein berührender Film über zwei Dichterinnen – die eine aus der Arktis, die andere von den Marshall Inseln. Das Schmelzen der Polkappen, das bewirkt, dass die tief liegende Inselgruppe im Pazifik droht unterzugehen, vereint beide Frauen im gemeinsamen Klimaschicksal.

Gleichwohl, und das macht optimistisch, verfügen solche am stärksten bedrohten Gemeinschaften vielfach über Erfahrungen und tradiertes Wissen, die sich beim Schutz der Gewässer und Ökosysteme bewährt haben. Das wird etwa anhand eines historischen Bootsmodells von den Marshallinseln deutlich, dessen Design heute in der Region zur Entwicklung von klimaneutralen Schiffstransporten verwendet wird.

Es geht darum, wieder in Beziehung zum Element Wasser zu treten

Es geht also ums (Über)-Leben am Wasser, mit dem Wasser und durch den Schutz von Gewässern. „Anhand dieses Elementes lassen sich die drastischen Auswirkungen von Klimawandel und kolonialen Verteilungskämpfen sehr greifbar darstellen“, erklärt Johanna Wild, die zusammen mit Katharina Nowak die Ausstellung kuratiert hat. Gegliedert ist sie in vier Kapitel: „Leben mit Wasser“, „Wasser Verwandtschaften“, „Wasser ist Leben!“ und „Das Wasser schützen – für Klimagerechtigkeit kämpfen“.

Ein moderner Robbenfellmantel der Designerin VictoriaKakuktinniq verweist auf die traditionelle Bedeutung der Tiere und deren Lebensraum für die Inuit.
Ein moderner Robbenfellmantel der Designerin VictoriaKakuktinniq verweist auf die traditionelle Bedeutung der Tiere und deren Lebensraum für die Inuit. © Jennifer Lane

„Wasser Botschaften“ ist im Rahmen des „Taking Care“-Projektes entstanden, finanziert durch das Europe Program. Es begann 2019 und brachte dreizehn Museen mit Weltkulturen-Sammlungen aus ganz Europa zusammen, um den Austausch miteinander zu fördern und gemeinsam Verbindungen zwischen ethnografischen Sammlungen, der Klimakrise und dem kolonialen Erbe durch Workshops, Konferenzen, Kunstresidenzen und experimentellen Ausstellungen zu erkunden, die von den jeweiligen Partnermuseen organisiert werden.

Kuratorinnen luden Expertinnen zum „Wasser Think Tank“ ein

Um das Konzept zu erarbeiten, luden die beiden Kuratorinnen Expertinnen, die sich schon lange für den Wasserschutz einsetzen, zum „Wasser Think Tank“ ein. Carolina Caycedo ist eine britisch-kolumbianische Künstlerin und Aktivistin, die sich mit den ökologischen und sozialen Auswirkungen von Staudammbau und -rückbau in den USA befasst. Von ihr stammt eine ungewöhnliche Arbeit aus Papier, eine Art Weltkarte, die wie ein langer Fluss gefaltet ist und sich durch einen Teil des Raums schlängelt. Ausgehend von einer historischen Karte aus Berlin zur DDR-Zeit, die zusammengelegt den Ring der Berliner Mauer ergab, beleuchtet Caycedo darauf verschiedene Aspekte von Flüssen wie Umweltverschmutzung, aber auch Aufenthaltsqualität, kombiniert sie mit Luftaufnahmen und einem Bild von der Milchstraße, die ja ebenfalls einen Lebensraum darstellt.

Die Künstlerin will darauf hinweisen, dass Wasser nicht als Ressource gesehen werden sollte, sondern als lebendiges Wesen, mit dem wir (wieder) in Beziehung treten sollten und das eigene Rechte hat. Um der Natur insgesamt mehr Rechte zu geben, werden mittlerweile Ideen indigener Völker aufgegriffen: Länder wie Ecuador, Bolivien und Uganda machen Flüsse, Wälder und sogar Reis zu juristischen Personen; die „Allgemeine Erklärung der Rechte der Flüsse“ steht auf einer Papierrolle zum Nachlesen bereit.

„Wasser-Rechte“: Diskussion am Sonntag im MARKK

Auch in Europa ist dieses sogenannte Earth Law angekommen, aber noch weit davon entfernt, zum Beispiel einem schützenswerten Fluss wie der Elbe dieselben Rechte zuzugestehen – so, wie es etwa schon der Ganges in Indien oder der durch das Goldschürfen vergiftete Rio Magdalena in Mexiko haben. Warum eigentlich nicht? Das fragt eine Diskussion, die an diesem Sonntag im MARKK zu eben diesem Thema stattfindet („Wasser-Rechte“, Beginn ist um 16.30 Uhr).

„Unsere Beziehung zum Wasser muss sich um eine Ethik der Liebe drehen. Wir müssen uns jeden Tag fragen: Was habe ich heute für das Wasser getan?“, fragt auch Kelsey Leonard, Mitglied der Shinnecock Nation, Wasserschützerin und Assistenzprofessorin im Bereich Umwelt an der Universität von Waterloo in Kanada, deren zentrales Forschungsgebiet die Großen Seen und die Atlantikküste Nordamerikas sind.

Wenn die Wege zum Wasser länger werden, wächst auch die Gefahr

Dritte im Bunde des Think Tank ist Oladosu Titilope Adenike, eine Klimaaktivistin und Ökofeministin, die sich für die Rettung des Tschadsees und den sicheren Lebensunterhalt von Frauen und Mädchen in der zentralafrikanischen Region einsetzt. Es sind dort hauptsächlich Frauen, die das lebensnotwendige Wasser aus dem See holen. Da dieser immer weiter reduziert wird, verlängern sich auch die Wege dorthin – was eine große Gefahr für die Frauen durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram darstellt.

Aus dem Nachbarstaat Niger sind traditionelle Masken überliefert, die von mythischen Wasserwesen zwischen Tier und Mensch erzählen: Sie wurden getragen, um beim Tanzen zu unterhalten, um Geschichten zu erzählen, aber auch, um die lebens- und nahrungsspendenden Wassergeister gnädig zu stimmen.

Filmstills bei „Wasser Botschaften“ im MARKK: Hoffnungsschimmer aus einer anderen Welt

Daneben sind großformatige Arbeiten des nigerianischen Künstlers Wilfred Ukpong gehängt. Die Filmstills aus seiner Dokumentation „Earth Sounds“ zeigen, wie sich Menschen im durch Ölförderung massiv ausgebeuteten und bedrohten Niger-Delta ihre Natur zurückerobern, indem sie die Arbeitswerkzeuge für die Bohrungen zweckentfremden. Auf einem Bild etwa sitzen vier Jugendliche auf einem Öltank wie auf einem Rennboot.

Ein anderes Bild zeigt eine nur mit einem Rock und Kopfschmuck bekleidete Frau, die sich über eine Öllache beugt und daraus trinkt. Die schwarz-rot gestalteten Szenarien wirken futuristisch. Wie ein Hoffnungsschimmer aus einer anderen Welt.

„Wasser Botschaften“ 25.2.–31.10., MARKK (U Hallerstraße), Rothenbaumchaussee 64, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00 –21.00, Eintritt 9,50/5,- (erm.), Eröffnungswochenende 25./26.2. mit vielen Veranstaltungen, Infos unter www.markk-hamburg.de.