Hamburg. Wenn die Markthalle sich vergrößert, müssen Galerien weichen. Doch ganz so weit ist es noch nicht. Drei Künstler befassen sich damit.
Irgendwas ist ja immer. Wird eine Ausstellung eröffnet, fehlen die Textkärtchen neben den Bildern, wird noch schnell ein Kabel für eine Installation verlegt, eine Wand neu gestrichen oder zumindest vermessen, um ein Gemälde korrekt zu hängen. Kennt man alles im Laufe der Jahre. Und so ist man eigentlich gar nicht so überrascht beim Betreten des unfertig scheinenden Ausstellungsraumes im Kunsthaus Hamburg. Vor einer eingezogenen großen Wand steht ein Baugerüst, daran hängt ein Mantel. Auf dem Boden ist, scheinbar achtlos, ein Teppich zusammengerollt.
Daneben eine Musikanlage und ein Umzugskarton. Darin ein quallenartiges Gebilde (könnten auch Eiswürfel sein. Doch: Wie halten die sich bei der Wärme in Form?). An einem Feuerlöscher klebt ein großes Wespennest, an der Wand gegenüber verharrt eine große schwarze Spinne. Eine Plastikfolie rauscht über der Heizungsluft, über allem liegt ein die Magengegend unangenehm bedrängendes lautes Wummern. Eine Atmosphäre zwischen abgerocktem Club bei Tageslicht und Aufbruchstimmung bei Wohnungsaufgabe.
Das Kunsthaus Hamburg zieht um – eine Ausstellung fühlt vor
Genau das wollen die Künstler Jakob Spengemann und Akinori Tao, beide Absolventen der Hochschule für bildende Künste Hamburg, mit ihrer Ausstellung „While We’re Gone“ bezwecken: „Einen Kippmoment erzeugen, indem man sich fragt: Hat hier lange nichts mehr stattgefunden, oder geht demnächst was ab?“
Das Thema Umzug steht also im Raum. Und das ist von Kunsthaus-Direktorin Anna Nowak auch ganz bewusst so gewählt. „Seit 2018 ist eine Erweiterung der Markthalle im Gespräch und in dem Zusammenhang auch ein Umzug der benachbarten Galerien.“ Die für das Gebäude zuständige Sprinkenhof GmbH hat sich zwar immerhin für ein Architekturbüro entschieden und erste Begehungen mit den Beteiligten durchgeführt, „doch wir haben immer noch keine Planungssicherheit, weder zeitlich noch räumlich“, so Nowak.
Das sei schwierig für die Ausstellungsplanung, aber auch, weil sie nicht allein dastehe, sondern für mehr als 600 Künstlerinnen und Künstler verantwortlich sei, die dem Kunsthaus durch Verbände angeschlossen sind. Zudem werden Kunsthaus und Galerien durch das Gerangel um Platz zu Konkurrenten.
Das Kunsthaus musste 1993 schon einmal einem Bauprojekt weichen
Immerhin: Die abwegige Ursprungsidee, einer Markthalle mit Abendbetrieb großzügige Räume im hellen Erdgeschoss zu erteilen und dafür die Ausstellungshäuser mit Tagesgeschäft ins Untergeschoss zu verbannen, soll vom Tisch sein. Die Direktorin setzt sich seit ihrem Amtsantritt mit neuer Corporate Identity und frischem Programm, das stärker in die Stadt hinausgeht, für mehr Sichtbarkeit ein. Dazu gehört auch die Aufnahme in die Kunstmeile, die ab April wirksam wird.
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Dass das Kunsthaus eine durchaus bewegte Historie hat und schon einmal, 1993, dem Bau der Galerie der Gegenwart gegenüber der Kunsthalle weichen musste, thematisiert die US-Künstlerin Sam Vernon in ihrer raumfüllenden Arbeit „Alter-Reservoir“. Dafür hat sie eine ganze Wand und zwei Säulen im hinteren Ausstellungsbereich mit einer Collage aus Zeitungsartikeln, Graffiti und Illustrationen bedeckt, die sie zusammen mit befreundeten Kreativen direkt vor Ort entwickelte. Und sie hat im Keller des Kunsthauses einige interessante Exponate und Zeichnungen gefunden.
Gefühlt ist man am Klosterwall also für den Umzug schon gerüstet. Oder, wie Sam Vernon es durch ihre Collage formuliert: „Wir haben es schon einmal durchgemacht. Wir werden es auch dieses Mal schaffen.“
„While We’re Gone“ und „Alter-Reservoir“bis 12.5., Kunsthaus Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 15, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 6,-/4,- (erm.); kunsthaushamburg.de