Hamburg. Neu Konzertlocation: Gebäude am Klosterwall soll umgestaltet werden. Dort ansässige Galeristen fürchten deshalb um ihre Existenz.
Thomas Kälberlohs „Ikone“ strahlt in feurigem Rot durch die Gruppenausstellung „Einsichten VII“. Daneben erhellt die Berliner Künstlerin Antje Blumenstein mit ihrer dynamischen Kunst der Linie den Raum. Der Japaner Yuki Yamamoto empfängt Besucher mit pastell-poppigen Leinwänden im „Place of Hello“.
Ob bei Hengevoss-Dürkop, Nanna Preußners, Carolyn Heinz oder Mikiko Sato – dank der Lage im Erdgeschoss können die Kunstwerke ihre ganze Wirkung entfalten. Tageslicht, ein wichtiger, oftmals entscheidender Faktor beim Kuratieren und Hängen einer Ausstellung. Eigentlich selbstverständlich.
Und dennoch: Sollte das Gebäude nach den gerade bekannt gewordenen „Ideenskizzen“ der städtischen Immobiliengesellschaft Sprinkenhof GmbH saniert werden, müssten die Galerien zugunsten der Hamburger Markthalle ins naturgemäß dunklere Untergeschoss weichen.
Bund und Stadt spendieren 40 Millionen Euro für Sanierung
Die Stimmung bei den Galeristinnen am Klosterwall ist jetzt schon im Keller. Denn die Vorstellung, mit dem gesamten Betrieb in naher Zukunft runterziehen zu müssen, drückt auf die Motivation in einer Zeit, in der das Galeriegeschäft wegen Corona ohnehin schon sehr schwierig geworden ist. „Als uns die Pläne im Sommer 2019 präsentiert wurden, sind wir aus allen Wolken gefallen“, sagt Nanna Preußners.
„Bevor so ein großes Projekt startet, wird normalerweise eine Bedarfsabfrage bei allen Beteiligten gemacht. Das hat damals bei den Galerien nicht stattgefunden.“ Erst Ende Juli dieses Jahres seien Projektentwickler der Sprinkenhof GmbH ins Galeriehaus gekommen und hätten festgestellt, wie schön hell und hoch die Räume seien. Für Nanna Preußners und ihre Kolleginnen steht fest: „Wir wollen uns wehren!“
Die Pläne der Markthalle sind klar formuliert und in den Skizzen voll berücksichtigt: Deren Geschäftsführer Mike Keller will die Größe der Konzertlocation verdoppeln, sodass künftig 2000 Besucher hineinpassen. „Wir glauben, dass diese Kapazität in Hamburg fehlt“, sagt der Nachhaltigkeitsmanager, dem für die Zukunft möglichst klimaneutrale Veranstaltungen vorschweben. Außerdem sei es schon lange überfällig, das Gebäude (sicherheits-)technisch auf den neuesten Stand zu bringen und den Zugang zur Markthalle barrierefrei zu gestalten.
Den Einwand, dass ein barrierefreier Zugang ebenso wichtig für Galeriebesucher ist, kontert der Markthallen-Chef mit dem Hinweis auf den gemeinsamen Eingang, den die Galerien und die Markthalle künftig hätten. Aber: Wer zu den Ausstellungen gelangen will, müsste dann noch eine Treppe hinabsteigen.
Lesen Sie auch:
- Winternotprogramm: "Markthalle" für Obdachlose geöffnet
- Gute Nachrichten für die freie Theaterszene in Hamburg
- Millionensegen für Hamburgs Kultur: Diese Projekte dürfen sich freuen
- Kräne, Technik, Planung: So gibt Kampnagel 120 Millionen aus
Für die Modernisierung und Sanierung des gesamten Gebäudes erhält die Sprinkenhof GmbH, die Eigentümerin ist, von Bund und Stadt rund 40 Millionen Euro. Dafür soll es wieder in seinen ursprünglichen denkmalgerechten Zustand gebracht werden. Aus der Behörde für Kultur und Medien, die Eigentümerin und Architekten in der Sache berät, heißt es: „Der Umbau und die Einbeziehung der Flächen des ehemaligen Antikmarktes birgt die Chance, dass die an sich vielversprechende Fläche auf der unteren Ebene mit großen verglasten Torbögen zum Hof nutzbar gemacht und der Hinterhof attraktiver gestaltet wird.“
„Naiv und an der Realität vorbei“ findet das Nanna Preußners: Der Hinterhof sei schmuddelig, durch abbremsende Züge und die sechsspurige Amsinckstraße sehr laut. „Wie soll da eine angenehme Café-Atmosphäre entstehen, die unsere Besucher und Kunden einlädt, vor und nach dem Ausstellungsbesuch im Hof zu verweilen?“ Auch das von der Immobiliengesellschaft angekündigte Wegschneiden des Efeus auf Klosterwallseite, um mehr Licht ins Untergeschoss zu lassen, sei keine ausreichende Maßnahme.
Dass öffentliche Gelder in Kultur investiert werden, findet Kunsthaus-Direktorin Katja Schroeder grundsätzlich gut. Es müsse nur darauf geachtet werden, wohin die Mittel fließen. Sie habe das Gefühl, dass in Hamburg die Musik eben doch stets an erster Stelle stehe. Das Kunsthaus, ebenfalls Mieterin am Klosterwall, müsse aber immer noch mit demselben Etat wie vor 27 Jahren auskommen. „Das finde ich schwer nachvollziehbar“, sagt Schroeder.
Rund 30 Prozent der Besucher kämen spontan in ihr Haus
Ebenso unverständlich sei es, dass Galerien, die für ihre Ausstellungen dringend Tageslicht benötigen, in den Keller wandern sollen. Und die Markthalle, deren Geschäft sich fast ausschließlich abends und nachts abspielt, in einem Erdgeschoss bleiben dürfe, das durch die Neugestaltung noch heller werden soll.
Das Kunsthaus profitiert, ebenso wie die Barlach Halle K und die Galerien, durch seine jetzige Lage an der Kunstmeile, der Perlenschnur, die von den Deichtorhallen über die Ausstellungshäuser am Klosterwall und dem Museum für Kunst und Gewerbe bis zur Hamburger Kunsthalle reicht. Rund 30 Prozent der Besucher kämen spontan in ihr Haus, erklärt die Direktorin. Eine komplizierte Wegeführung über den Hinterhof oder über eine Treppe im Inneren würde einen „riesigen Verlust an Räumlichkeit, aber auch an Sichtbarkeit“ bedeuten. „Die derzeitigen Pläne sind für uns existenzbedrohend“, sagt Schroeder.
Kunsthaus-Nachbarin Elvie Barlach, die die Barlach Halle K am Klosterwall 13 mit wechselnden Ausstellungsprojekten bespielt, sieht die Kunstmeile in Gefahr, müssten Barlach Halle K, das Kunsthaus und die Galerien ins Untergeschoss weichen. Gerade die Verbindung von Kunst und Musik trage das Klosterwall-Konzept, findet Barlach. Nicht nur die Markthalle, die zu den wichtigsten Kulturorten der Stadt zähle, habe ihre legendäre Geschichte mit Auftritten von AC/DC bis Depeche Mode. „Wir haben alle eine Biografie an diesem Ort. Mein mittlerweile verstorbener Mann Hans Barlach war Gründer des Galeriehauses vor 20 Jahren“, sagt Elvie Barlach.
Kulturinstitutionen machen sich gegenseitig Konkurrenz
Als „traurig“ erachtet es Katja Schroeder, dass sich durch die Pläne, die eben nicht alle Beteiligten mit ihren Bedürfnissen berücksichtigten, die Kulturinstitutionen gegenseitig Konkurrenz machen. Eine Konkurrenz, die augenscheinlich nicht das Geschäft belebt, sondern lähmt und Unfrieden stiftet.
Bislang habe man eine wohlwollende Nachbarschaft gepflegt, sagt Schroeder. Mit viel Geduld vonseiten der Ausstellungsmacher, die so manchen Soundcheck „überhört“ hätten. „Wenn es zu laut wurde oder vor unseren Türen Müll vom Feiern lag, haben wir das meist im direkten Gespräch klären können“, so die Kunsthaus-Chefin. Auch Mike Keller betont, dass es ihm am wichtigsten sei, dass die Kulturinstitutionen, die ja allesamt durch die Pandemie beeinträchtigt sind, überhaupt am Leben erhalten werden; einen „Kampf der Künste“ will er nicht ausfechten.
„Wir sind bei der ehemaligen Blumenmarkthalle in einer Entwicklungsphase, die noch keine Planung bedeutet“, sagt Lars Vieten von der Sprinkenhof GmbH, „die vorgestellten Renderings sind Ideenskizzen zur Visualisierung einer möglichen zukünftigen Nutzung des Gebäudes“. Mittlerweile hätten alle Mieter ihre Bedarfe bei Sprinkenhof eingereicht; man werde versuchen, „mit allen Beteiligten eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen“.
Es gebe Gespräche, sagt auch Enno Isermann, Sprecher der Behörde für Kultur und Medien: „Derzeit ist alles verhandelbar.“ Im ersten Quartal 2021 wolle man die Ergebnisse präsentieren.