Hamburg. Ein Theaterstück nah an der jungen Zielgruppe: Wo der Text hin und wieder schwächelt, treibt Musik von Inspektah das Geschehen voran.

Rap-Musik wummert beim Einlass. Das dreiköpfige Ensemble wärmt sich am Bühnenrand auf. In der Mitte ruht eine frisch gepflügte, sandige Arena. „Mach dich gerade/Pump dich auf/Probleme lösen wir hier mit der Faust/Gefühle halten auf, hier ist keine Zeit für Pause“, singt der Hamburger Musiker Inspektah und setzt damit das Thema: Männlichkeit – oder was viele dafür halten.

Was hier zur Premiere im Jungen Schauspielhaus gespielt wird, ist nicht das schmale Büchlein „Ferdinand, der Stier“ von einem besonderen Tier, das die Blumenwiese dem Kampf vorzieht, sondern ein eigener Stoff, den Regisseur Alexander Klessinger und Hauptdarsteller Enrique Fiß gemeinsam nach Motiven des 1936 veröffentlichten Bestsellers von Munro Leaf für Kinder ab zehn Jahren entwickelt haben.

Junges Schauspielhaus: Stierkampf gegen Testosteron-Poesie

Sehr passend sind Arena und Sportdresse der Beteiligten mit verschiedenfarbigen Hosen und Kniestrümpfen von Marleen Johow aufeinander abgestimmt. Enrique Fiß gibt Ferdinand, der sich ein wenig verträumt im schummrigen Licht räkelt, das Hier und Jetzt genießt, in seiner eigenen Liga spielt und sich nicht um Männlichkeitsgehabe schert. Ganz nach oben und vor allem siegreich in die Arena möchte dagegen Jara Bihlers gerne mal provozierender Rodrigo. Während Lennart Lemster als Lukas sich vergebens abstrampelt und von Ferdinand ausführlich den Kopf über seinen fragwürdigen Werte-Kosmos gewaschen bekommt.

Nah an der Zielgruppe: Jara Bihler (r.) und Kuhlege, äh, Kollege in „Ferdinand, der Stier“ am Jungen Schauspielhaus Hamburg.
Nah an der Zielgruppe: Jara Bihler (r.) und Kuhlege, äh, Kollege in „Ferdinand, der Stier“ am Jungen Schauspielhaus Hamburg. © Maris Eufinger | Maris Eufinger

Regisseur Alexander Klessinger will viel und verzahnt gekonnt seine Theatermittel. Auch wenn es in dem Sinne keine lineare Handlung gibt und der Text auch im letzten Drittel etwas auf der Stelle tritt, fließen Worte, Spiel, Bewegungen und Musik schön dynamisch ineinander. Die Texte des Rappers brechen dabei wohltuend mit der herkömmlichen Testosteron-Poesie. Als es um den wahren Stierkampf geht, tritt Fiß aus seiner Rolle heraus, durchbricht die vierte Wand, erzählt von seinen Kindheitserfahrungen in Spanien mit dem Stierkampf und an der Stelle wird es – gut gemeint – doch ein wenig belehrend. Doch dann greift Inspektah zum Mikrofon und singt „Sie wollen das Drama/Sie wollen Spektakel/Sie wollen, dass einer zusticht/Was sie versprechen, ist alles Fassade“ und rettet diesen Moment.

Junges Schauspielhaus: „Ferdinand, der Stier“ ist nah an der Zielgruppe

Nah an der Zielgruppe und mit hoher Energie hinterfragt der Abend vermeintlichen Applaus und das Streben nach äußerem Ruhm und Reichtum – sich dabei rein auf männliche Rollenbilder beschränkend. „Ist das schon alles? Ist das schon die beste Version eurer selbst? Alle können es in die Arena schaffen“, sagt Jara Bihler als Rodrigo. Sie treibt das Rivalisieren, Posieren, Kräftemessen auf die Spitze. Und das tut sie so fabelhaft, dass es glaubwürdig wird.

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Wenn der Text hin und wieder schwächelt, bringt die Musik das Geschehen voran. Und schöner als mit der musikalischen Utopie „Was ich mein 2.0“ über den Mut zum eigenen Glück hätte es nicht enden können.

„Ferdinand, der Stier“ für Kinder ab 10 Jahren, weitere Vorstellungen 12.3., 10.30 Uhr, 14.3., 10.30 Uhr, 16.3., 16 Uhr, 28.4., 15 Uhr, 30.4., 10.30 Uhr 29.5., 10.30 Uhr, Junges Schauspielhaus, Wiesendamm 28, Karten unter T. 24 87 13; www.junges.schauspielhaus.de