Hamburg. Der Komiker und Liebes-Loser schonte seine notorische Ex Amira auch in Hamburg nicht. Wer lacht über die Gags eines verlassenen Mannes?

  • Comedian Oliver Pocher spielte sein Programm „Der Liebeskasper“ in der Hamburger Sporthalle
  • Auch hier ging es – mal wieder – auch um seine Ex-Frau Amira und deren Scheidung
  • Dazu kam natürlich viel Lästerei gegen die deutsche Z-Prominenz.

Im Gesumse und Geballer und Dauerbrummen der hypermedialen Gegenwart ist er der dauerpräsente Laberkopp. Oliver Pocher – eigentlicher Kampfname: Olli Pocher – nennt sich derzeit auf deutschen Bühnen „Der Liebeskasper“. Der Mann ist von seiner deutlich jüngeren Frau verlassen worden. Keine schöne Sache, klar. Es sind ja kleine Kinder im Spiel. Und der arme Pocher, so viel männliche Solidarität muss erlaubt sein, wusste wohl wirklich nicht, wie ihm geschah im von ihm ungewollten Trennungsprozess – nie schön, wenn sich eine plötzlich entliebt.

Die Öffentlichkeit darf und muss nun vor allem dank seiner zwanghaften Redseligkeit seit einiger Zeit reichlich Anteil nehmen in der Scheidungssache Olli und Amira Pocher. Das Dauergepocher gab es auch schon vorher, als das Ex-Paar noch seinen Paar-Podcast hatte. Aber mit der Trennung steigerte sich das alles noch. Die sind jetzt quasi immer auf Sendung, Hilfe! Wobei man namentlich Olli Pocher, dem Irgendwie-dann-doch-Talentierten in diesem penetranten Duo (sein loses Mundwerk ist insgesamt ein passables Skill Set), eine gewisse Bewunderung nicht versagen kann.

Olli Pocher in Hamburg: Der Schmerz des Verlassenwerdens

Der 46-Jährige schafft es theoretisch mit jedem Satz, den er in seinen Podcasts äußert, eine Schlagzeile zu liefern. Als in alle Richtungen austeilender Jammerlappen in Sachen Liebe, der auf seiner gegenwärtigen Tour den Schmerz des Verlassenwerdens verarbeitet, belästigt er die zwangsverhaftete Öffentlichkeit derzeit so indiskret und konsequent offen wie selten jemand vor ihm mit seinen, nun denn, persönlichen Unwichtigkeiten.

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Das Fatale daran ist, man bemerkte es in der Sporthalle schnell: Das Exponieren der beleidigten, waidwunden Männlichkeit ist halt einer von den Vorgängen, bei denen man manchmal nur schwer wegschauen kann. Auch wenn man das doch eigentlich dringend möchte. Nennen wir das Ganze in diesem Fall: Verlierervoyeurismus.

Oliver Pochers Fans werden von Mola Adebisi eingeheizt

Der Amiraverlierer und Liebes-Loser trat in der bestuhlten Sporthalle vor nicht ganz 3000 Leuten auf. Mit Mola Adebisi hatte er seinen Toureinheizer mitgebracht. Was Pochers Show bietet – Geläster über die Mutter seiner Kinder und deren Nach-Pocher-Love-Interests und natürlich über Intimfeind Michael Wendler –, wusste man vorher.

Interessant war die Beantwortung der Frage: Wer lacht denn da eigentlich über die weit unten („Heutzutage muss man ja eine Triggerwarnung aussprechen. Heute Abend werden Wörter wie Ficken, Fotze, Amira, Biyon, Cora fallen. Wer damit nicht umgehen kann, fährt bitte mit dem Lastenrad nach Hause und sucht sich ein neues Pronomen“) angesiedelten Gags und Gemeinheiten?

Klare Antwort: ein wild gemischtes Publikum aus Barmbek, Heide, Flensburg, mit Repräsentantinnen der FDP Ahrensburg, frivolen Mittdreißigerinnen, unerschrockenen Twentysomethings und leider, leider auch einem selbst.

Olli Pocher in Hamburg: Halb nackt und mit Schmerbauch

Pocher, der zu Beginn halb nackt seinen Schmerbauch dem Publikum entgegenreckte und auch sonst keine Körperscham kennt („Wenn Ricarda Lang ein Snickers sieht, nimmt sie fünf“), schonte weder sich noch andere. TikTok-Fünde, Bohlen, Kai Pflaume waren da eher lahme Humormanöver; die „Ho, ho, ho, hat er das jetzt wirklich gesagt?“-Frequenz war bei ordinären Amira-Erwähnungen („Wenn Sie meinen, ich bin drüber weg, sagen Sie‘s mir einfach“) am höchsten.

Dass die gelernte Maskenbildnerin nun auf Pochers Therapie-Tour durch die Lande der Tophit ist, stärkt logischerweise die Marke der ebenfalls notorisch nach Aufmerksamkeit gierenden Pocher-Ex. Da hat jemand, scheint‘s, alles richtig gemacht.

Oliver Pocher traf auf ein lachbereites Publikum

Und die Berufsgruppe der Komiker darf bekanntlich fast alles. Pocher nutzte, oft im Gewand der „Bums“-Explizität, den freien Raum der Bühnenshow weidlich aus. Ging durch die Reihen und traf dabei auf ein lachbereites Publikum, das sich gerne, Pardon, verarschen ließ.

Die Leute lieben ihn und wollen ihn auch trösten; also die, die auf seinen Shows sind – in Hamburg gab es ungefragt nur halb unernst gemeinte Beziehungs- und Liebestipps aus dem Publikum. Die Sympathien rühren nicht zuletzt daher, dass Pocher ungefilterter als andere, als Nicht-Bühnen-Menschen seine nicht allzu hochtourigen Gedanken ventiliert.

Sein auf Ressentiments bauender Humor ist weder subtil (das wirklich nie) noch raffiniert. Er ist ein Mann der Mitte, den viele kennen und einige auch nicht so mögen. In Hamburg wurde Pocher von einer 20-Jährigen, eigentlich viel zu klug für seinen dröhnenden Komikbegriff wirkenden Frau das partnerschaftliche Prinzip der „Situationship“ erklärt.

Olli Pocher in Hamburg: Haudraufwitz gegen sexuelle Deklassierung

Die jungen Leute von heute lieben, führt sie aus, folgendermaßen: unverbindlicher, ungeklärter – ist es Beziehung oder nur Sex? – und lockerer. Und auch für oder gegen den derzeit selbsterklärten Zwangssingle und Unterhalter Pocher („Okay, man kann also bumsen, aber auch schauen, ob sich noch was Besseres findet“) konnte man sich auch an diesem Abend in der Sporthalle, so als kritischer Beobachter, jeweils situativ entscheiden. Oft ödete er einen an (das ewige Biyon-Bashing, dieses so dankbare Opfer!), mal ergab man sich dem ganz besonderen, masochistischen Charme seines impliziten Verlassenengejammers.

Denn das ist ja der Kern des „Liebeskaspers“: Mit dem Mute des Haudraufwitzes versucht er der Furcht vor sexueller Deklassierung zu entkommen. Dass die historische Spielfigur des Kaspers dabei halt immer schon derb war, passt zu Pochers Programm. Und auch, dass man als liebender Mensch kaspermäßig auch mal naiv ist.