Hamburg. Hochrisiko-Gebiete in der Elbphilharmonie: Lang Lang gab einen Klavierabend mit Musik von Fauré, Schumann und Chopin im Großen Saal.

In den vergangenen Jahren waren viele der glamourösen Auftritte von Lang Lang fröhlich funkensprühend, interpretatorisch speziell oder schlicht: ins Circensische überdreht und mit Überdruck am jeweiligen Thema vorbei. Jetzt aber könnte es zudem sehr interessant werden mit ihm und seinen Absichten jenseits des Überschall-Virtuosentums. Seinen demütigen Respekt vor Bach hat er mit seiner Sicht auf die Goldberg-Variationen bewiesen, das Programm seines Recitals in der Elbphilharmonie wagte nun Erkundungen in tiefgründig romantische Repertoire-Kerne – mit überzeugenden Resultaten, die auf mehr davon hoffen lassen. Hier arbeitet jemand offenkundig am nächsten Karriere-Abschnitt.

Faurés nobel ausgestaltete „Pavane“ zum Ankommen im Großen Saal, die statt Schuberts anspruchsstärkerem Ges-Dur-Impromptu kurzfristig für diesen Abend nachnominiert wurde, war wohl vor allem eine aparte Werbe-Einlage für das gerade erschienene Album. Dann aber ging es kopfüber und ungebremst hinein in Schumanns „Kreisleriana“, diesen kleinen, gemeinen Borderliner-Zyklus, himmelhoch wütend, zu Tränen betrübt, zehn konträre Seelenzustands-Vertonungen für nur zwei Hände. Hochrisiko-Gebiet.

Elbphilharmonie: Chopin kann Lang Lang also auch – und wie er kann

Anfangs musste Lang Lang erst das passende Tempo finden und stolperte mehrfach mit kleinen Tasten-Ausrutschern über den eigenen Ehrgeiz, das gesamte Notenbild so flott wie klarkantig abbilden zu wollen. Doch je weiter, oder besser: je tiefer er in Schumanns eigenwillige Fabulier-Poesie hineinfand, desto mehr Ruhe, Ernsthaftigkeit und – trotz aller geforderten Extreme – versonnene Ausgeglichenheit kam in sein Spiel. Auch das Publikum kam zur Ruhe, die Spannung stieg. Schon hier: feinst abschattierte Klangfarben, ein tolles Legato, gestalterische Genauigkeit, das angenehme Gefühl, hier hat sich jemand, Anstrengungen und Rückschläge im Moment des Konzerts nicht fürchtend, mit Schumanns vielen Haken und Ösen auseinandergesetzt. Klar war: Der Alleskönner wollte verstehend wiedergeben und nicht lediglich auf den eh sicheren Applaus für die Oberflächenpolitur hinaus.

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Das Zaubern und erst recht das Bezaubern ging nach der Pause noch raffinierter und vielschichtiger weiter, mit einer reizenden Auswahl aus den vielen Mazurka-Albumblättern von Chopin. Lang Langs gut aufgehendes Rezept dafür: gerade genügend auftrumpfende Eitelkeit beim angedeuteten Tänzeln durch die Abendstimmung-Episoden, um nicht penetrant egozentrisch zu wirken, etwas Salon-Parfüm zur Abrundung, und man wird ja wohl so träumen dürfen.

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Mit bestechender Sicherheit flanierte er auf dem schmalen Grat zwischen perlender Eleganz und allzu frontaler Angeberei. Doch weil er sich immer wieder das kleine bisschen Zuviel an Show-Selbstzweck verkniff, geriet eine Mazurka reizender als die andere. Als rauschender Abschluss sollte es die mächtig ausholende fis-Moll-Polonaise sein. Lang Lang machte daraus ein Chopin-Spektakel, in den brausenden Passagen schnittig, in den elegischen Abschnitten versonnen. Aber: Er nahm sich dabei nie wichtiger als diese Musik.

Album: Lang Lang „Saint-Saens“ Gewandhausorchester, Andris Nelsons (Dirigent), Gina Alice (Klavier) (DG, 2 CDs ca. 25 Euro / 2 LPs ca. 44 Euro)