Um seine Musikstiftung zu präsentieren, kam der Weltstar einen Tag vor seinem heutigen Laeiszhallen-Konzert nach Hamburg ins Rolf-Liebermann-Studio.

Hamburg. Der kleine Mann mit der lustigen Strubbelfrisur weiß längst instinktiv, wie man bei der jeweiligen Kundschaft punktet. Den johlendsten Applaus der 300 sehr jungen Zuhörer bekam Lang Lang deswegen auch nicht für seine Virtuosenstückchen, sondern für die Hasenohren-Geste, die er beim Abschlussfoto hinter dem Rücken der neun Jahre jungen, ahnungslosen Cynthia Maya Bal machte. Nicht ganz nett, aber wirkungsvoll.

Ein Saal voller faszinierter Hamburger Schulkinder, in den ersten Sitzreihen eine Portion Branchen- und hanseatische Bussi-Prominenz. Fotografen am Rande des Nervenzusammenbruchs, dazu der obligate Pappscheck, diesmal über 10 000 Euro und von der Montblanc Kulturstiftung überreicht. Es muss also wohl ein klassischer Event gewesen sein, was da gestern Mittag im Rolf-Liebermann-Studio passierte.

Einen Tag, bevor der 26-Jährige heute sein Solo-Recital in der Laeiszhalle gibt (auf dem Programm: Werke von Schubert, Chopin, Bartók und Debussy), stellte Lang Lang erstmals in Europa seine 2008 gegründete "Lang Lang International Music Foundation" vor. Eine Stiftung, die Klassik-Talente, wie er eines war, unterstützen will. Eine gute Idee, ein löbliches Projekt. Da kann man nicht meckern - aber zumindest mal daran erinnern, dass Lang seine Karriere auch einem rigiden Training und Dauerdruck seit frühester Jugend verdankt. Doch darum ging es hier ja nicht; hier ging es um Träume, um Energie, um die Kraft der Musik. Ein Disney-Moment stand im Raum. Die glücklichen Nachwuchstalente - Cynthia (neun, aus Stuttgart, sehr rosafarbenes Kleid) und Matthias Hegemann (elf, aus Duisburg, Lieblingskomponist: Liszt) strahlten ordnungsgemäß niedlich über beide Ohren, das in etwa gleichaltrige Publikum war bei der Lang-Lang-Autogrammjagd nach dem Mini-Konzert kaum noch zu bremsen. Mutter Lang, eigens angereist, hatte zu diesem Zeitpunkt aus der zweiten Reihe schon so viele Fotos von ihrem Sohn geknipst, als gäbe es kein Morgen mehr. Und noch nicht ein einziges Bild von ihm.

Doch es gibt ja neben dem Klassik-Clown, der jedes Stück mit einer plakativen Oberkörper-Choreografie versieht, auch den globalen Markenartikel Lang Lang. Das durchinszenierte Erfolgsprodukt, das unter immensem ökonomischen Druck steht, ob nun selbst gewollt oder aufgebürdet. Dieser Lang Lang ließ sich beim Kurz-Interview am Flügel für einige Momente erahnen, wenn auch nicht festhalten oder gar klärend erklären.

Bei der Frage, ob es stimme, dass seine Hände mit 70 Millionen versichert seien, kam zwar ein Ja, aber keine konkrete Summe. Das mit dem Markenartikel sieht er allerdings nicht so. "Ich bin Pianist, ich spiele, ich schöpfe etwas. Das mit der Marke, das fühle ich nicht." Ob er schon mal gefälschten Lang-Lang-CDs in seiner Heimat begegnet sei? "Klar doch. Nicht nur von mir, es gibt auch den gesamten Karajan gefälscht", berichtet er. Es gebe gute und schlechte Fälschungen, die guten würden etwa halb so viel kosten wie die Originale. Das mit den Internet-Downloads sei ebenso ein Problem wie diese Markenimitate - offenbar auch für die beiden im Raum befindlichen PR-Damen, die hier, deutlich irritiert, zum Themenwechsel drängen. Und schon kommt auch von Lang Lang: "Über so etwas denke ich eigentlich gar nicht nach, ich denke immer nur darüber nach, wie ich bessere Musik machen kann, Geld interessiert mich nicht!"

Drehen wir also gleich noch ein paar Runden auf dem interessant dünnen Eis. "Gibt es Musik, die zu einfach für Sie ist?" - "Nein. Es geht nicht um schwierig. Es geht um Herausforderungen. Alles ist herausfordernd. Wenn man ein Kind ist, glaubt man, Mozart sei einfach."

Sein bislang längster Urlaub vom Star-Sein habe gerade mal zwei Tage gedauert, war über ihn zu lesen. Gesund ist ja wohl etwas anderes. Stimmt nicht, korrigiert er. Neulich hatte er fünf Tage Urlaub. In Abu Dhabi. Und im nächsten Sommer macht er sogar zwei Monate frei. Vielleicht gefällt ihm das dann so sehr, dass er gar nicht mehr zurückkommt? "Nein, ich komme wieder, ganz bestimmt. Urlaub ist Spaß, aber ich bin wirklich süchtig danach, Konzerte zu geben. Ich liebe das, es gibt nichts Besseres für mich. Vor einem Burn-out habe ich keine Angst, denn ich lerne dabei ja auch ständig." An welchem Teil seines Spiels er noch zu arbeiten habe? "Keine Ahnung. Wenn ich das wüsste, bräuchte ich keine Lehrer mehr."

Ob er schon mal ein wirklich schlechtes Konzert gegeben habe? "Ich gebe niemals ein schlechtes Konzert", kommt als sehr kategorische Antwort, wie aus der Pistole geschossen. Sicher? "Für mich ist jedes Konzert ein Vergnügen. Ich spiele vielleicht nicht immer umwerfend, aber jedes einzelne ist wie ein Baby, wie ein neues Lebenserlebnis." Philosophie also, auch gut. Das Lieblings-Konfuzius-Zitat? Ihm sei Laotse mitunter lieber, antwortet Lang Lang da, der sei entspannter. Und entscheidet sich für den Spruch mit dem langen Marsch, der mit dem ersten Schritt beginnt.

Auf seine Art der Entspannung vom Höchstleistungs-Druck angesprochen, entgegnet Lang, er fühle gar keinen solchen Druck. "Dazu habe ich gar keine Zeit." Vielleicht ist es ganz gut, dass Cynthia und Matthias in diesem Moment schon weg sind.

Vielleicht aber auch nicht.