Hamburg. Auf Kampnagel war die genderfluide Kunstfigur zu Gast – anfangs etwas dumpf, später partytauglich. Mehr Songs wären schön gewesen.

Die Szene erinnert ein wenig an „Lili Marleen“. Eine flackernde Laterne erhebt sich auf der Bühne der großen Kampnagel-Hall.. Umschmeichelt von reichlich Nebel. Schließlich nehmen eine Schlagwerkerin, eine Keyboarderin mit gigantischer Leuchtperücke und zwei Sängerinnen ihre Plätze ein und flankieren Karin Dreijer, alias Fever Ray, die ihr ausverkauftes Hamburg-Konzert mit dem hypnotischen „What They Call Us“ beginnt.

Hinter dem Künstlernamen Fever Ray verbirgt sich eine genderfluide schwedische Kunstfigur. Fever Ray trägt weißen Anzug und weiß gekalktes Gesicht unterm kurzen Blondhaar. Mit ein paar wiegenden Tanzschritten und Armschwüngen wirft sich die Figur in die Solo-Songs. Mal mit brüchiger Stimme über flirrende, mal nordische, dann wieder fernöstlich inspirierte Keyboards und pointierte Rhythmik. 2009 hat Fever Ray an gleicher Stelle einen unvergesslichen Auftritt hingelegt. Auch als Teil des populären Electro-Pop-Duos The Knife gab es bereits ein Konzert auf Kampnagel.

Fever Ray: Das anfänglich akustisch etwas dumpfe Konzert rauscht dahin

Auf dem aktuellen dritten Album „Radical Romantics“ hat sich Fever Ray dem großen ewigen Pop-Thema der Liebe zugewandt – in all ihren Spielarten. In „Even It Out“ geht es um die Gefühle der Eltern eines gemobbten Kindes gegenüber dem Übeltäter. In „Kandy“ um das Begehren nach Süßigkeiten. In „Shiver“ um die Beschwörung der Macht einer Berührung.

Ein Song folgt auf den nächsten. Die flankierenden Sängerinnen geben sich alle Mühe, das Publikum mit Vielstimmigkeit und lasziven Bewegungen zu verführen. Und so rauscht das anfänglich akustisch etwas dumpfe Konzert zwar in Schönheit, aber doch etwas gleichförmig dahin, bis Fever Ray mit dem kraftvollen „I’m Not Done“ und dem darauffolgenden „Carbon Dioxide“ überraschend partytauglich aufdreht. Das Publikum zieht sogleich dankbar mit.

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Das melancholische „Now’s the Only Time I Know“ vom Debütalbum offenbart zum Abschluss noch einmal die besonderen, hinreißend düsteren Songschreiberqualitäten von Fever Ray. Nach kurzer Pause erscheint das Quintett in schwarzen Capes und gibt mit „Coconut“ die einzige Zugabe zum Besten. Nach 80 Minuten ist der Spuk vorbei. Ein runder Abend, aber ein, zwei Songs mehr wären schon noch drin gewesen.