Hamburg. Der Hamburger Entertainer präsentierte in der Laeiszhalle unterhaltsamen Kammerpop – und eine beliebte Sängerin als Duettpartnerin.

Es ist gleichgültig, ob Stefan Gwildis auf der Bühne in der Elbphilharmonie steht, in der Laeiszhalle, im Stadtpark oder im Happy Billard in Bergedorf. Und ob hinter ihm ein Orchester spielt, eine Bigband oder ein Pianist. Der eigentlich im Umland der Stadt lebende Sänger und Entertainer ist und bleibt der „Tiger von Barmbek“: Hin und her wetzt er auf der Bühne, faucht, knurrt und schnurrt in das Mikro. Kaum zu bremsen.

Der echte „Tiger von Barmbek“ war eigentlich ein Wrestler, der in den 50er-Jahren in einem Zelt am Millerntor seine Gegner verdrosch, das nur am Rande. Aber Gwildis hat auch so eine unerklärliche Kraft, einen Bann, die am Dienstag den Großen Saal der Laeiszhalle füllt. Dieses Mal spielen um ihn herum sein bewährter Pianist und Arrangeur Tobias Neumann sowie das Streicherensemble Maurice Quartett mit Mona Burger (Violine), Anna Behrens (Violine), Zofia Zakrzewska (Viola) und Hagen Kuhr (Cello). Spontan ist auch Harfenistin Jara Egen in die Laeiszhalle geeilt.

Stefan Gwildis: Howard Carpendale wäre neidisch

Gemeinsam präsentieren sie das Programm „Buntes und Beseeltes“ mit Liedern vom aktuellen Album „BUNT!“ und Hits aus 25 Jahren. Damit die Stimmung im Saal auch auf das richtige Niveau kommt, vergisst Gwildis nicht zu erwähnen, dass das Konzert für ein Livealbum mitgeschnitten wird. Aber das muss er nicht tun, auf seine 2000 Fans ist Verlass. Nach einigen Takten Piazzolla vom Maurice Quartett und einem Verspieler von Neumann geht es mit „Heut ist der Tag“, „Spiel das Lied in dir“ und „Sie ist so süß (Wenn sie da liegt und schläft)“ gleich heiter los. Alle klatschen mit, schön auf die Zwei und die Vier. Howard Carpendale wäre neidisch: „Wir haben die Leute immer noch nicht so weit, dass sie auf die Zwei und die Vier klatschen“, sagte Howie im November zum Abendblatt.

Stefan Gwildis wurde von Pianist Tobias Neumann, Harfenistin Jara Egen und dem Maurice Quartett begleitet.
Stefan Gwildis wurde von Pianist Tobias Neumann, Harfenistin Jara Egen und dem Maurice Quartett begleitet. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Gwildis kommt schnell in den Barry-White-Modus und ins Schwitzen. Das triefende Handtuch fliegt in das Publikum. Als regelmäßiger Gwildis-Rezensent kennt man schon einige der Mitmachaktionen und Sprüche („Neulich fragte mich jemand: Herr Gwildis, was macht ihr Friseur eigentlich beruflich?“), aber ein Livemitschnitt braucht eben ein Best-of. Auch spricht er deutliche Worte gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt, ohne an Kritik an der Politik zu sparen – und singt das so kritische wie traurige „What‘s Going On“ von Marvin Gaye auf Deutsch: „Wem bringt das was?“.

Stefan Gwildis: Annett Louisan kommt als Überraschung auf die Bühne

Es steckt auch nach der Pause und einer zehn Minuten langen Version von „Kleines Menschen Auge (Caruso)“ viel Energie in diesem Kammerpop-Konzert, „Halleluja, Brüder und Schwestern“: Annett Louisan, die vor 20 Jahren mit Gwildis in Wien ihren ersten größeren Auftritt hatte (Tobias Neumann ist übrigens ihr Trauzeuge), bekommt die Bühne für ihr Lied „Die schönsten Wege sind aus Holz“ und das Duett „So was Blödes“ („Something Stupid“). Gwildis stellt ihr etwas ungalant einen Tritt hin, damit sie auf Augenhöhe tanzen können. Aber diese Einlage war sicher geplant, denn in Turnschuhen sieht man Annett Louisan eigentlich nie auf den Brettern.

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Aber auch spontane Schlagfertigkeit sitzt, mit Tuchfühlung kennt sich Gwildis aus und freut sich über jeden Zwischenruf wie über die Schulterklopfer in der Pause, bei der er im Foyer Autogramme gibt und Schallplatten unter das Volk bringt. „Wo kommst du her Schwester? Berne? Toll!“. Pop-Entertainer, Soul-Bruder, Gospel-Prediger. Er hat seinen James Brown, seinen Otis Redding, seinen Tom Jones (der Tiger!) gut studiert, mit norddeutschem Charme und Selbstironie angereichert und ist nur beim „Pollerhocken“ im Hafen ruhig: „Pollerhocken, Schiffe gucken, Schnauze halten.“

Das Gestühl der Laeiszhalle ist gegen Ende des Abends überflüssig, und nach einem schönen Cello-Solo und „Lass ma’ ruhig den Hut auf“ ist es Zeit für die Zugaben: Nach 130 Minuten, „Das Beste, was es gibt“, „Papa will da nicht mehr wohn’“ und „Mitten vorm Dock Nr. 10“ sind sich die 2000 berauschten Lauschenden sicher: „Du bist so wundervoll“. Wahrscheinlich brauchen nicht wenige keine Karten mehr für seinen Auftritt am 17. März im St. Pauli Theater, bei dem er zum 100. Geburtstag von Wolfgang Borchert liest und singt: „Pack das Leben bei den Haaren!“. Was macht sein Friseur denn jetzt nun beruflich?