Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Kunstspiel zum Mitmachen im Abendblatt. Diese Woche: „Eine Straßenszene“ von Jacobus Vrel.

Auf den ersten Blick ist es ein unspektakuläres Werk. Wir sehen Menschen, die ihr Tagewerk in einer engen Gasse verrichten. Das Kopfsteinpflaster der Gasse ist brüchig, einzelne Steine liegen am Rand. Backstein- und Giebelhäuser stehen dicht aneinander. Auf der rechten Seite, im Erdgeschoss eines Backsteinhauses, bietet ein Bäcker Brötchen und Kuchen in einer Auslage zum Kauf an (er selbst schaut von oben aus dem Fenster auf die Szenerie). Ein Mann in derber Kleidung und groben Stiefeln, den wir nur von hinten sehen, guckt sich die Waren an. Eine Frau hat sich links davon auf eine Bank gesetzt – vielleicht, um sich auszuruhen.

Jacobus Vrel, „Eine Straßenszene“, 17. Jahrhundert.
Jacobus Vrel, „Eine Straßenszene“, 17. Jahrhundert. © bpk | Hamburger Kunsthalle | Elke Walford | Hamburger Kunsthalle

Eine weitere Frau läuft am Haus vorbei, auch sie ist einfach gekleidet und trägt ein Kopftuch. Auf der linken Seite sind ein paar Kohlköpfe auf einem ebenerdigen Balkon ausgebreitet; zwei Männer unterhalten sich. Jacobus Vrel schuf das 50 mal 38,5 Zentimeter große Bild mit dem Titel „Eine Straßenszene“ in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Hamburger Kunsthalle, die das Gemälde bereits 1888 aus der Sammlung Hudtwalcker-Wesselhoeft erwarb, schätzt dessen künstlerische Tätigkeit auf die Zeit zwischen 1654 und 1662.

Jacobus Vrel, ein Künstler, über den man kaum etwas weiß

„Signaturen auf seinen Bildern sind die einzigen Lebensspuren von Vrel. Viel mehr ist nicht bekannt von dem Künstler, der ein Œuvre von ungefähr 38 Gemälden hinterließ“, schreibt Sandra Pisot, Leiterin der Sammlung Alte Meister. „Obwohl er keiner niederländischen Malergilde zugeordnet werden kann, wird sein Schaffen mit den Orten Delft, Leiden, Dordrecht, Haarlem und dem Niederrhein in Verbindung gebracht. Vrels Bildthemen in der Manier von Pieter de Hooch und Johannes Vermeer variierten zwischen häuslichen Interieurszenen, Darstellungen von Innenhöfen und Straßenszenen. Sie entstanden zumeist für den Kunstmarkt.“

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Was kann die Käufer an solch einer scheinbar banalen Szene gereizt haben? War es als Momentaufnahme eines bestimmten Stadtviertels oder Sittengemälde der „einfachen Leute“ gedacht? Interessant ist die Markierung des linken Hauses: An der Mauer ist ein weißes Kreuz aufgemalt. Es kennzeichnet das Gebäude vermutlich als Pesthaus, in dem Erkrankte von Gesunden isoliert wurden; diese Häuser standen meist am Rande oder außerhalb der Stadt. Das rechte Haus ziert ein weißes, kaum zu entzifferndes Schild mit der Aufschrift „dit huis ijs te huijr“ („Dieses Haus ist zu vermieten“). Es handelt sich also offensichtlich um eine arme, heruntergekommene Gegend, in die kaum jemand zieht, wenn er es nicht unbedingt muss.

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Der Kunsthistoriker Thomas Ketelsen schreibt, dass Vrel häufig auf dieselbe, topografisch nur schwer einzuordnende Architektur zurückgegriffen hat und es eine zweite, ebenfalls signierte Fassung des Bildes gibt, „in der Komposition gleich; nur in wenigen Details weichen beide Bilder voneinander ab. Auf dem linken Dachfirst sitzt anstelle des nachträglich hinzugefügten Schornsteins ein Storchennest, der Bäcker schaut weiter links aus dem Fenster, und die Auslage seines Ladens ist anders geordnet.“ Einige Experten sehen in der Darstellung des Bäckers übrigens den Künstler selbst.

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