Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen. Diese Woche: „Der junge Knecht mit der Stalllaterne (Selbstbildnis)“ von Ferdinand Georg Waldmüller.
Ein Ambi-Light für perfekte Instagram-Fotos gibt es mittlerweile in jedem besser sortierten Dekoladen. Doch auch die Künstler vor 200 und mehr Jahren wussten offensichtlich schon, wie man Modelle ins rechte Licht setzt. „Der junge Knecht mit der Stalllaterne (Selbstbildnis)“ aus dem Jahr 1824 ist solch ein Beispiel. Es kommt einem geradezu vor wie ein Schnappschuss in den sozialen Medien.
Das Gesicht und die Schultern des jungen Stallknechts sind durch die unter ihm stehende Flamme extrem ausgeleuchtet, sodass auch Falten am Kinn und unter den Augen sichtbar werden. Der dunkle Hintergrund verstärkt diese Wirkung noch. Sein Blick ist frei auf die Betrachtenden gerichtet. Er kommt gut zur Geltung auf dem 54 mal 45 Zentimeter großen Ölbild auf Eichenholz.
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Das Gemälde stammt von Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865), dem bedeutendsten österreichischen Maler des Biedermeier. Zwischen 1807 und 1813 war er Schüler der Akademie der bildenden Künste in Wien; unterbrochen wurde das Studium durch seine Tätigkeit als Zeichenlehrer der Kinder des Grafen Ignaz Gyulai, Statthalter von Kroatien, in Agram.
1814 heiratete Waldmüller die Sängerin Katharina Weidner, deren Engagements ihn als Theaterdekorationsmaler und Portraitist nach Baden, Brünn und Prag führten. 1817 kehrte er in seine Heimat Wien zurück, wo er sich durch das Kopieren von Gemälden auf dem Gebiet der Ölmalerei weiterbildete und recht bald für viele namhafte Galerien arbeitete. Vor allem die Alten Meister dienten ihm als Inspirationsquelle.
Wie auf Instagram: Waldmüllers „Der junge Knecht mit der Stalllaterne“
Die Kunsthalle, die das Bild in ihrer Sammlung des 19. Jahrhunderts beherbergt, kaufte es 1905 von Juliane Dorothea Kirchenpauer an, der Witwe des einstigen Bürgermeisters der Stadt Hamburg, Gustav Heinrich Kirchenpauer. Für die Spätromantik typisch, dominieren nicht nur Landschaftsszenerien mit Figurengruppen die Bilder, sondern auch viel Volkstümliches, was an dem hier gezeigten Bild gut ablesbar ist. Der „Stallknecht“ ist vermutlich ebenso wie das berühmte Waldmüller-Werk „Der Tabakpfeifenhändler im Kaffeehaus“ (1924) eine Auftragsarbeit vonseiten einer Galerie gewesen. Und auch verwendete der Künstler hier mit der Pfeife ein Vanitas-Symbol, das – gepaart mit der Jugendlichkeit des Dargestellten – die Parallelität von irdischem Vergnügen und Vergänglichkeit aufzeigen soll.
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Die Kunsthistorikerin Maria Buchsbaum bezeichnet das Selbstbildnis als „Schlüsselbild“, da „es die grellen Ausleuchtungen in Waldmüllers späten Genreszenen vorwegnimmt“. Sie macht Eindrücke aus der Caravaggio-Nachfolge für diese Stilistik verantwortlich. „Anregungen dazu lassen sich in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts sehr zahlreich finden. Die Utrechter Schule bevorzugte unter dem Einfluss Caravaggios Beleuchtungseffekte durch Kerzenlicht, so etwa Gerard van Honthorst und dessen Schülerin Judith Leyster“, so die Autorin in ihrem Künstlerbuch.