Hamburg. „Brutalism“ hieß das Debüt von Idles, das die Engländer zur aufregendsten Band der Stunde machte. Jetzt erscheint „Tangk“ – bäääm.
Niemand sollte sich fragen, warum de Indierock-Kids von heute so allerbestens auf Idles klarkommen, die Band aus dem britischen Bristol. Wir erklären es hier dennoch kurz und bündig: Postpunk (angeblich lehnen die Musiker selbst die Bezeichnung ab) ist eine Spielart der Gitarrenmusik, die in jeder Generation ihre Parteigänger findet. Weil sie auch in einer Zeit, in der die Popmusik die Gitarre doch eigentlich schon an den Nagel gehängt hat, diese tolle Energie zu entwickeln vermag.
Das neue, jetzt erscheinende Album von Idles heißt „Tangk“ (PIAS) und wiederholt den schneidigen, Rhythmus-basierten, messerscharfen Pop-Angriff, den die Band 2017 mit „Brutalism“ auf die Gehörgänge und Hüften aller eskalierbereiten, sagen wir: Bachelorstudentinnen und -studenten startete. Der Beste bei Idles ist selbstverständlich der schwertätowierte Sänger Joe Talbot, ein Waliser Schmerzensmann, der auf den bisherigen vier Alben unter anderem das Aufwachsen mit einer pflegebedürftigen Mutter und die Totgeburt seiner ersten Tochter thematisierte. Der Mann trauerte mit Rock ‘n‘ Roll, und er blickte dennoch immer über das eigene Leben hinaus. Idles-Songs sind nicht selten gesellschaftskritisch, und sie dienen auch inhaltlich der Erbauung; wenn man denn ein wachsamer Mensch mit Blick aufs große Ganze ist und die Hoffnung dennoch nicht verliert.
Idles und das neue Album „Tangk“: Rockmusik, die lärmt und wärmt
Und nun also „Tangk“, das bislang reifste Werk von Idles. Oder, wie die Band es formuliert: ein Album voller Liebeslieder. Die Single „Dancer“ – die Weirdness des Videos, man könnte fast sagen: körpergeile Schrulligkeit ist original Idles – ist ganz sicher solch ein Lovesong. „My breath moves your hair/At a glance in a round/Like a pirouette/And the sweat I give myself to you/As long as you move/On the floor“, singt Talbot da auf seine, tatsächlich, unnachahmliche Weise. Nennen wir es die größte Liebeserklärung an die Indie Disco seit Divine Comedys „At the Indie Disco“.
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„Pop Pop Pop“ ist die entwaffnende Selbsterklärung des Entertainers Joe Talbot, mit schönem foreign word, das es eigentlich nur dank ihm jetzt gibt: „Freudenfreude/Joy on joy/Cheerleader/Happy boy/Strong like bull/Vulnerable/Keep my people up/That’s my tool“. Es gab ein paar Streitereien in der Vergangenheit mit anderen Künstlern wie Sleaford Mods, die die Arbeiterklassen-Authentizität von Idles doch recht deutlich anzweifelten. Dass Idles als Männer-Band feministisch gegen toxische Männlichkeit wütete, kam auch nicht überall gut an.
Neues Album von Idles: Liebe muss kein Schnurren sein
Auf „Tangk“ ist sie jetzt halt mal hedonistisch unterwegs, und im Auftrag tiefer Gefühle. „I said love is the thing“, singt Talbot in „Grace“. „Gift Horse“ dagegen grollt, und das kann Liebe ja auch – eher ein Knurren sein als ein Schnurren. Talbot ist ein Mann, der die Verhältnisse aufwirbelt, aber dabei aufpasst, dass es allen gut geht. Idles hören, das ist, als würde man gleichzeitig gehauen und umarmt werden, so schrieb es der „Guardian“ mal. Idles, das ist außerdem Rockmusik, die lärmt und wärmt, also natürlich die beste, die man in kalten Tagen wie diesen bekommen kann.
Am 16. März tritt die große, laute und sensible Rockband Idles in der Sporthalle auf. Wir werden ganz sicher da sein.