Hamburg. In den Proberäumen in der Neuen Flora offenbart sich, was Fans erwartet – und warum das neue Musical auch feministisch ist.

Ein Gebäude, das an eine runtergerockte und von Sparmaßnahmen gezeichnete Schule erinnert, und eine vollgestellte, ungemütliche Halle mit blauem Plastikboden. Ein Ort, an welchem man wohl eher ein erbarmungsloses Völkerball-Spiel oder unelegante Gymnastik auf Medizinbällen erwarten würde – nicht jedoch Glanz und Glamour. Doch die Cast vom neuen Musical „Hercules“ lassen wohl selbst den trostlosesten Ort erstrahlen, wenn sie zu tanzen und zu singen beginnen. Und das selbst in Sportklamotten statt aufwendigen Kostümen.

Am Dienstagvormittag erhielt das Abendblatt erste Einblicke in die Choreografien des neuen Disney-Musicals: Am 24. März wird „Hercules“ Weltpremiere in der Neuen Flora in Hamburg feiern. Und so viel lässt sich sagen: Musical-Fans können sich mehr als freuen. Und jene, die noch keine Musical-Fans sind oder gar missbilligend auf diese Form der Kunst herabblicken – die sollten sich schon mal eine gute Ausrede dafür überlegen, dass sie bald doch zur Fan-Seite gewechselt sein werden.

„Hercules“ in Hamburg: Hauptrolle Benét Monteiro tritt anfangs als Tollpatsch auf

„Die Choreografien in Musicals müssen eine Geschichte erzählen, eine Botschaft überbringen: Jede Szene ist komplett anders“, erklärt Tanisha Scott, die bereits mit Stars wie Rihanna und Beyoncé zusammengearbeitet hat. Als Co-Choreografin ist die gebürtige Kanadierin seit dreieinhalb Wochen in Hamburg. Doch viel von der Stadt gesehen habe sie noch nicht, denn sechs Tage die Woche verbringt sie in den Proberäumen der Neuen Flora und übt mit der Cast Szene für Szene, bis alles sitzt. Und wie sich zeigt, lohnt sich die harte Arbeit.

In der ersten Kostprobe tritt Hercules, der von dem Brasilianer Benét Monteiro verkörpert wird, als tollpatschiger Halbgott auf, der seine Kraft noch nicht einschätzen kann – und damit allen Anwesenden auf dem Marktplatz das Leben schwer macht. Das Bühnenbild bietet dem Zuschauer keine Ruhe: Überall passiert etwas, hier schiebt ein Darsteller einen riesigen Wagen mit Geröll vor sich her, dort versucht jemand ihre Blumenware zu verkaufen, während der Halbgott übermütig „Ich weiß, heut wird mein Tag“ singt. Fast wünscht man sich, ein paar Augen mehr zu besitzen – denn am liebsten möchte man keine Interaktion, keine Bewegung der gesamten Cast verpassen.

Offene Proben des neuen Musicals „Hercules“: Bei dem energetischen Bühnenbild weiß man gar nicht, wo man hinschauen soll.
Offene Proben des neuen Musicals „Hercules“: Bei dem energetischen Bühnenbild weiß man gar nicht, wo man hinschauen soll. © dpa | Rabea Gruber

Musical Hamburg: Darstellerin Mae Anne Jorolan sticht besonders hervor

Scott hat alles im Blick – denn dass die Zuschauenden aus jedem Blickwinkel etwas zu bestaunen haben, das sei das Ziel. „Was die Person hinten macht ist genauso wichtig, wie das, was die Person vorne macht“, erklärt sie. Aus diesem Grund sei es in den nächsten Wochen besonders wichtig, an den Details zu arbeiten. Ansonsten hätten alle Darstellenden die Choreos schnell gelernt. So stark das gesamte Team als Ganzes und auch alle einzeln auftreten: Es gibt eine Person, die bei den Proben besonders auffällt. Und das ist Mae Ann Jorolan, die die weibliche Hauptrolle Meg spielt.

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In der Szene, in welcher Meg und Hercules das erste Mal aufeinandertreffen, zeigt sich Meg als starke und unabhängige Frau, die es nicht nötig hat, gerettet zu werden – schon gar nicht von einem Mann, der ihr scheinbar die Welt erklären will. Doch nicht nur inhaltlich zeigt sich Jorolan dem männlichen Hauptcharakter überlegen: auch in der Performance sticht sie heraus, mit einer kräftigen Stimme und einer Gestik und Mimik, der man nur zu gerne folgt.

Darstellerin Mae Ann Jorolan ist in der Szene von einem Kraken umschlungen – doch die Hilfe von Hercules benötigt sie nicht, sie kann sich selbst retten.
Darstellerin Mae Ann Jorolan ist in der Szene von einem Kraken umschlungen – doch die Hilfe von Hercules benötigt sie nicht, sie kann sich selbst retten. © dpa | Rabea Gruber

„Hercules“ in Hamburg: „Meg ist durch und durch feministisch“

„Meg ist defintiv durch und durch feministisch“, stellt Jorolan fest. Sie sei nicht die „typische“ Disney-Prinzessin, die noch Erfahrungen sammeln müsse – denn Meg habe schon einiges hinter sich. „Sie hat eine Mauer um ihr Herz gebaut, sie ist unnahbar“, erzählt Jorolan. Im Laufe des Musicals könnten die Zuschauenden jedoch beobachten, wie diese Mauer zerbröselt - Stück für Stück, erklärt Jorolan.

Wann genau dieser Moment ist, wann die Mauer bröckelt – das herauszufinden sei die größte Herausforderung für die erfolgreiche Musical-Darstellerin Jorolan, die bereits als Jasmin im Aladdin-Musical auf der Bühne stand. Noch ein bisschen Zeit hat sie, knapp anderthalb Monate bis zur Premiere. Einen hohen Stresspegel, den verspüre Jorolan nicht: „Natürlich gibt es Tage, wo das ganze Team Druck verspürt - immerhin ist es eine Weltpremiere. Aber grundsätzlich haben wir alle das gleiche Ziel – nämlich ein tolles Musical auf die Bühne zu bringen.“

„Hercules“ ab März 2024 im Theater Neue Flora, Karten unter stage-entertainment.de