Hamburg. Die französische Sopranistin Axelle Fanyo begeisterte in der „Rising Stars“-Reihe im Kleinen Saal. Das Publikum war lautstark angetan.
Wer als junge, aufstrebende Sopranistin frühe Lied-Raritäten von Weill und Schönberg mit etwas Klaviermusik von Ravel und Gershwin, mit einem Spiritual und Songs von Gershwin, Florence Price, Margaret Bonds und William Bolcom in sein Debüt-Recital in der Elbphilharmonie zusammenkomponiert, muss entweder schon ungesund selbstbewusst sein – oder ziemlich toll. Axelle Fanyos Auftritt in der jährlichen „Rising Stars“-Reihe im Kleinen Saal tendierte eindeutig zu Letzterem.
Aber natürlich ist diese Karriere-Gelegenheit, als Nachwuchstalent in kurzer Zeit von einem prominenten europäischen Konzerthaus zum nächsten durchgereicht zu werden, auch ein Ansporn, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Visitenkarten ins Rampenlicht zu halten. Einen markenzeichengroßen Namen hat Fanyo noch nicht, aber immerhin schon mit einigen garantiert wählerischen Branchen-Größen, von François-Xavier Roths Les Siècles bis zu Esa-Pekka Salonen, erste Feuerproben bestanden.
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Das Publikum – extrem erfreulich bunt gemischt, von Schülerinnen bis zur Seniorengruppe – war jedenfalls lautstark angetan von dieser Vielfalt, und von der Überzeugungskraft, mit der Fanyo sich und ihre Vielfalt präsentierte. Vor allem aber von diesem Sopran. Der hatte es in sich. Denn Fanyo kann zwar, verlangt das Lied es so, auch lyrisch gurren und sich um die expressiven Details kümmern, hat aber ein enorm druckvolles Reservepotenzial in der Stimme.
Genügend Raumvolumen, mühelos ausfahrbar, um wahrscheinlich noch in der hintersten Sitzreihe des Kleinen Saals die Gesangstext-Seiten kurz zum Flattern zu bringen. Die Feinjustierung, der richtige Mittelweg, das Ausbalancieren von Kraft und Geschmeidigkeit, die Dämpfung der Härte des metallischen Kerns, diese Reifeprüfungen stehen noch an.
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Dass Fanyo als gebürtige Pariserin den Abend mit Weills „Trois Chansons“ begann, sinnlich schillernde Zeit-Dokumente seiner Exil-Zwischenstation, war enorm charmant gemacht. Natürlich war sie weltenweit vom pragmatisch rauen Weill-Gören-Stil der großen Lotte Lenya entfernt, doch auch mit einem klassischeren Soprantimbre zogen diese Kunst-Chansons sofort in den Bann.
In „Complainte de la Seine“ erinnerte die – manchmal leicht übermarkante – Klavierbegleitung durch Kunal Lahiry noch elegisch an den Gossen-Sound der „Dreigroschenoper“, dann aber wurde und blieb es très français: „Je ne t’aime pas“ war eine bittere Abrechnung mit der erloschenen Leidenschaft, zu der man sich dichten Galoise-Rauch-Bodennebel und Rotwein denken muss, mit dem Tango-angehauchten „Youkali“ träumte sich der vor den Nazis geflohene Weill für wenige Minuten bereits in eine andere, fantastischere, problemfreiere Welt.
Leichte, lockere Muse statt strammer Zwölftönigkeit? Auch Schönberg, damals noch jung, konnte in seinen „Brettl-Liedern“ ganz anders. Bis nach Paris oder wenigsten nach Berlin hatten es diese hintersinnig lustigen Kabarett-Nummern damals nicht geschafft, doch Fanyo sang sie mit der nötigen Verve, um die nahe Verwandtschaft zum Cabaret klar werden zu lassen. Auch der hineinkomponierte, leicht angeschickerte Wiener Schmäh im letzten Kleinkunst-Couplet „Seit ich so viele Weiber sah“ bereitete ihr keine Probleme.
Das dort besungene Schlagen des Herzens griff Fanyo nach der Pause wieder auf, mit einer Auftragsarbeit, Sofia Avramidous „Entre les Miroirs“, die ihr geradezu auf den Leib geschrieben wurde, in der sie mit Body Percussion, Fingerschnipsen und dem Kontrast von ariosem Gesang und Schnappatmung mit Textsilben einen extremen Charakter zum Leben erweckte. Kein betretenes Schweigen, weil Avantgarde, sondern auch hier: große Begeisterung.
Gershwins „The Man I Love”, instrumental leider nur, und „Sometimes I Feel Like A Motherless Child“ setzten den Ton für die zweite Hälfe. Fanyo sang weniger akademisch ausgebildet, wusste, wo kleine Blue Notes nicht verkehrt waren. Stolz und aufrecht sang, nein, eher: deklamierte sie zwei Lieder zu Texten von Langston Hughes, dem poetischen Wortführer der „Harlem Renaissance“, mit Kraft und auch Zorn.
Die Rausschmeißer vor der dann wieder durch und durch französischen Zugabe, Poulencs „Les Chemins de l’amour“, war eine Handvoll launiger „Cabaret Songs“ des US-Amerikaners William Bolcom. Musical-taugliche Situationskomik, und sei sie noch so verschroben, konnte Fanyo also auch. Wetten, auf welchen größeren Bühnen es ein Wiederhören mit dieser Sängerin gibt, können ab sofort eingereicht werden.