Hamburg. Ceren Oran choreografiert am Jungen Schauspielhaus ein famoses Stück über Schlaf und Träume für ein Publikum ab fünf Jahren.

In der Regel schreibt man ungern, dass ein Theaterstück einschläfernd ist. Aber bei Ceren Orans „Nachtgeflüster“ am Jungen Schauspielhaus passt dieses Urteil: Das Tanztheaterstück beschreibt einem Publikum ab fünf Jahren die Zeit, wenn man noch nicht tief im Traum versunken ist, aber trotzdem nicht mehr richtig da, einen Dämmerzustand, der mit sanfter Entspannung einhergeht. Einschläfernd, im besten Sinne.

Sigrid Wurzingers Bühne jedenfalls schafft entsprechend eine angenehm müde Stimmung: einen Kuschelkissenhaufen, in dem sich Jara Bihler und Nana Jørgensen vergraben, einen Sessel, in dem sich Severin Mauchle einrollt, Sterne, die wie ein Mobile über dem Geschehen schweben, sanfte Musik (Benjamin Omerzell), gedimmtes Licht (Ole Dahnke).

Man möchte wegdriften, nur dass Bihler und Jørgensen nicht driften, sondern wach sind. So kann dieser Zustand sich eben auch entwickeln: dass man im Bett liegt, ohne einzuschlafen. Und jede Minute wird der Drang, etwas zu unternehmen, stärker.

„Nachtgeflüster“ am Jungen Schauspielhaus: Tanztheater als Kissenschlacht inszeniert

Also versuchen Bihler und Jørgensen, den schnarchenden Mauchle zu wecken. Gar nicht so einfach – wenn man ihn kitzelt, dann grunzt er unwillig, wenn man sich auf ihn legt, dreht er sich zur Seite. Klappt nach einer Weile dann doch, in einer reizend groben Slapstick-Szene, die das Publikum entsprechend erfreut. Und die das Können von Choreografin Oran beweist: Die beschränkt sich nämlich nicht auf die poetischen Aspekte der Müdigkeit, sondern sie lässt auch derbe Körperlichkeit zu, das Prallen von Leibern aufeinander, das groteske Spiel mit den Gliedmaßen. Schließlich: Kissenschlacht.

Schlafen kann man dann natürlich überhaupt nicht mehr, aber dafür macht es Spaß. Obwohl – womöglich träumen die Figuren alles ja nur? Schön, wie das Stück hier im Ungefähren bleibt.

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Vor knapp zwei Jahren hat Ceren Oran hier schon einmal inszeniert, „Tei & Len“, auch das eine weitgehend wortlose Arbeit für ein junges Publikum, bei der das nicht tänzerisch ausgebildete Ensemble des Jungen Schauspielhauses wie selbstverständlich in einem Tanzstück agierte.

Zwar ist die als Gast für „Nachtgeflüster“ verpflichtete Jørgensen tatsächlich Tänzerin, es gibt allerdings keinen Unterschied zwischen ihrem darstellerischen Einsatz und dem der vom Schauspiel kommenden Bihler und Mauchle. Im Zweifel stimmt nicht jede Bewegung passgenau, ist aber auch egal – in diesem Verständnis von Tanztheater geht es ohnehin mehr um die Freude am Körper, um das Austasten seiner Möglichkeiten. Und auch um den Spaß, der entsteht, wenn man mal so richtig Quatsch macht.

„Nachtgeflüster“: Ein Traum darf sich zum Albtraum entwickeln

Vielleicht ist „Nachtgeflüster“ nicht ganz so konzentriert wie „Tei & Len“, vielleicht zerfasert die Handlung immer mal wieder. Passt allerdings zum Konzept des Stücks. Auch im Moment des Einschlafens geht die Konzentration eigentümliche Wege – man gerät mal in eine erholsame Stimmung, dann schreckt man auf, dann ist man unbestimmt beunruhigt. Und manchmal ist man verängstigt. Auch solche Emotionen spricht Oran mit ihrer Choreografie an, ein Traum darf sich zum Albtraum entwickeln.

Zentral bleibt dennoch das Fazit dieses schönen, ziellosen, verträumten Stücks: Man kann Angst vor Albträumen haben, was nichts daran ändert, dass Träume wichtig sind. Träumt süß!

„Nachtgeflüster“Wieder am 30. ., 10.30 Uhr, 3.2., 11 .00, 6. und 13.2., 26. und 27.3., jew. 10.30 Uhr, Junges Schauspielhaus (U Saarlandstraße), Wiesendamm 28, Tickets unter 248713, junges.schauspielhaus.de