Hamburg. Das junge Laien-Ensemble liefert eine überzeugende Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Körperwahrnehmung und Selbstliebe ab.
„Was ist nur schön?“, fragt eine Stimme aus dem Off, „Und was nicht?“ eine andere. In Hans Christian Andersens Kunstmärchen „Das hässliche Entlein“ schlüpft aus einem Nachzügler-Ei ungewohnter Größe ein unbeholfenes Küken, aus dem nach einigen Abenteuern und viel Mobbing natürlich trotzdem irgendwann ein stolzer Schwan wird. Aber muss das eigentlich das Ziel sein?
Junges Schauspielhaus: Starkes Stück um Schönheitsideale junger Menschen
Diese und weitere Fragen stellen die künstlerische Leitung Marie Coring und Choreograf Pascal Schmidt in ihrer sehr freien Andersen-Befragung „Hässliche Entlein – schamlos nach Hans Christian Andersen“ in der Reihe SchauSpielRaum im Jungen Schauspielhaus. Es geht um Körperbilder und um den Umgang mit vermeintlichen Schönheitsidealen – ein für junge Menschen oft herausforderndes Thema.
Das zwölfköpfige junge Laien-Ensemble entledigt sich erst zu lautem Knacken selbst seiner Schale. Und verhandelt in immer neuen kleinen Szenen auf sehr leichtfüßige und doch eindringliche Weise Aspekte des Äußeren. Denn wie soll man als junger Mensch umgehen mit all den vermeintlichen Vorbildern in Netflix-Serien, in der Werbung, auf den Kanälen der sozialen Medien?
Plötzlich wird der eigene Körper kommentiert, bewertet, kategorisiert
Da erzählt ein Jungtalent davon, wie er seinen Körper zunächst als etwas wahrgenommen hat, das einfach da war – und dessen Fähigkeiten man gut nutzen konnte, während er mit einem weiteren Spieler Luft in ein Schwanen-Becken pumpt. Doch eines Tages, je älter er wurde, änderte sich das. Auf einmal wird der eigene Körper kommentiert, bewertet, kategorisiert. „Mein Körper ist zu einem Thema geworden“, heißt es dann.
Ein Mädchen verbittet sich, dass Fremde ihr einfach ungefragt und sehr übergriffig in die Haare fassen. Gnadenlos rechnet das Ensemble ab mit dem Optimierungswahn, der durch eine stets wachsende Palette immer neuer Schönheits- und Pflegeprodukte erweitert wird. Wortbeiträge wechseln mit berührenden Tanzszenen. Ein Mädchen schlüpft in ein Schwanen-Tutu und dreht in einer traumartigen Sehnsuchtsszene einige Runden. Das gesamte Ensemble legt einen rhythmischen Tanz auf der Waage hin.
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Den Machern und dem grandios aufspielenden, diversen Nachwuchs-Ensemble gelingt es, jede Einzelne und jeden Einzelnen in ihrer und seiner Individualität zu stärken und auch das Zwangsgebot der Selbstliebe, der so modischen „Body Positivity“, zu hinterfragen. Denn auch die kann zu einer Qual werden. Akzeptanz lautet die Lösung, die zu innerer Unabhängigkeit verhilft und am Ende zu wirklicher Freiheit führt. Hier wird diese Freiheit zudem sehr überzeugend dargeboten von einer kraftvollen, selbstbewussten Gemeinschaft. Bestärkender kann ein Theaterstück zu diesem wichtigen Thema kaum sein.
„Hässliche Entlein“ für Jugendliche ab 11 Jahren, weitere Termine 31.10., 15 Uhr, 2.11., 18 Uhr, 22.11., 18 Uhr, 23.11., 18 Uhr, SchauSpielRaum im Jungen Schauspielhaus, Wiesendamm 28, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de