Hamburg. Apokalypse als kluge Science-Fiction-Comedy: „Planet B“ vom Maxim Gorki Theater Berlin bei den Lessingtagen am Thalia Theater.
Die Menschheit war im Rückblick schon eine seltsame Spezies. Sie besaß mehrere Körperöffnungen, deren Funktionen die Nachfahren rätseln lassen. Nun stehen sieben Humanoide auf einer schrägen Planeten-Bühne (Wolfgang Menardi) und wundern sich über die Menschen, die ganz ungeniert ihren eigenen Planeten auslöschten – und bisweilen Theater spielten.
Die Berliner Regisseurin und Autorin Yael Ronen und ihr Co-Autor Itai Reicher drehen in ihrer am Maxim Gorki Theater Berlin entwickelten Arbeit „Planet B“ zum wiederholten Mal einen schweren Stoff und allerlei brennende gesellschaftliche Fragen durch den Katalysator der Unterhaltungsrevue. Mit ihrem zweitägigen Gastspiel anlässlich des Lessingtage-Festivals im Thalia Theater liefern sie einen erstaunlich erbaulichen Beitrag zum Eröffnungswochenende. Denn bei ihnen wird die Apokalypse zu einer ziemlich klugen und auch noch unterhaltsamen Science-Fiction-Comedy.
Thalia Theater Hamburg: Kluge Science-Fiction-Comedy bei den Lessingtagen
Die Geschichte klingt gleichwohl ziemlich absurd: Vor 40 Millionen Jahren kamen Aliens auf die Erde, um das mittlerweile dritte Massenartensterben zu initiieren – und die harte Auswahl der überlebenden Spezies als Showformat zu verkleiden. So sieht sich nun also der von Niels Borman gegebene Mensch in seiner Gruppe H einem depressiven Panda, einer vorwitzigen Influencer-Füchsin, einer arbeitssüchtigen Ameise, einem eingebildeten Huhn mit Opferkomplex, einem nihilistischen Fledermaus-Rocker und einem sehr gestrigen Krokodil-Macho gegenüber.
Wohltuend hat Amit Epstein das Ensemble in Fantasie-Kostüme gekleidet und dabei nicht reine Mimese betrieben. Wie sich die Tiere nun verbal umkreisen, ist einfach grandios gespielte Endzeit-Satire. Dimitrij Schaads Krokodil hält sich als Killermaschine für unverwundbar und überzeichnet die Figur als alter weißer Mann, der aber schon bald unter anderem von Alexandra Sinelnikovas Füchsin in den Keller der Geschichte verbannt wird.
Jonas Dassler spielt eine Fledermaus mit Emo-Frisur
Mit beeindruckender Sanftheit spielt sich Jonas Dassler („Der goldene Handschuh“) fast beiläufig nach vorne. Als Fledermaus mit Emo-Frisur, von Selbstzweifeln zerfressen, findet er zu einem derart liebenswerten Dialog mit der von Aysima Ergün dargestellten, von ihm begehrten Ameise, dass es zum Dahinschmelzen ist.
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Aber auch seine gekonnt gezupften Riffs auf der Gitarre nutzen nichts; am Ende kann nur einer gewinnen. Und nein, der Mensch ist es voraussichtlich nicht. Diesem pointenreichen, durchdachten und zugleich hochkomischen Theater würde man das Weiterleben, auf welchem Planeten auch immer, jederzeit gönnen.
Yael Ronen und Itai Reicher: „Planet B“weitere Vorstellung 21.1., 19 Uhr, Thalia Theater, Alstertor, Karten unter T. 32 81 44 44; thalia-theater.de/Lessingtage